200.000 Menschen, sechs Bühnen, aktuelle Populärmukke, gefühlte 40 Grad und wir mitten drin: Zum zweiten Jahr in Folge war das FM4 Frequency Festival Vangardist-Zielort für vier unvergessliche Tage. Wir (Redakteur und Fotograf) durften von 16. bis 19. August 2018 im Green Park in St. Pölten auf dem ausverkauften Festival unser Unwesen treiben und hatten erneut die besten Tage unseres Sommers.
Was dieses Jahr für uns anders war: Aufgrund der ausgebuchten Hotels im Gelände-Umkreis und aufgrund unserer Camping-Abneigung (WÄH!), musste ein neuer Notfallplan her: Unsere niederösterreichischen Freunde kamen uns zur Hilfe und nahmen uns kurzerhand während des gesamten Festivals netterweise bei sich zuhause auf und es war das Beste, was uns hätte passieren können.
TAG 1
Mittags ging es vollgepackt mit dem Zug von Wien nach St. Pölten. Kurz darauf bezogen wir auch schon das Zimmer bei unseren Freunden und alles war startklar für das Frequency 2018. Den ersten Festivaltag begonnen wir so, wie auch die darauffolgenden: Mit Drinks am Pool. Zu unserer Freude konnten wir uns nämlich bis wir die ersten Shows sehen wollten, im Garten während der brütenden Hitze abkühlen, um danach entspannt zum Gelände zu düsen.
YUNG HURN – DIE ANTWOORD – BASTILLE
Am späten Nachmittag eröffnete unser Festivalerlebnis Yung Hurn. Bereits bei der Ankunft pilgerten gefühlt alle Besucher in Richtung Green Stage zum Wiener Musiker. Der Hype ist da und wurde auch zelebriert – Hurn ist nämlich nicht grundlos der gerade heißeste Vertreter des deutschsprachigen Cloud Raps. Zu seinem Autotune-Synthie-Sprechgesang feierten die ersten Reihen und chillten die meisten Fans dahinter. Es war der perfekte Sound, um langsam in die passende Festival-Mood für die nächsten Tage zu kommen.
Nach einer kurzen Druckbetankung an der Bar machten wir es uns vor der Space Stage gemütlich und warteten auf Die Antwoord. Das südafrikanische und völlig irre Rap-Elektro-Duo machte vom ersten Ton an klar, wer am ersten Tag Headliner ist. Nach einem langen Intro kam der erste Kracher “Pitbull Terrier” von ihrer 2014er Platte “Donker Mag” und von da an folgte Hit auf Hit. Ihr Erfolgsalbum “Ten$ion” aus dem Jahr 2012 wurde ebenso präsentiert, wie die neuen Kracher. Abgesehen von ihren mitreißenden Hits hatten Ninja und Yo-Landi Vi$$er auch eine beeindruckende Visuals- und Lichtshow, die aus der Menge vor der Bühne ein einziges Strobo-Meer machten.
Aufgepumpt mit der Die-Antwood-Energie ging es für uns zum Abschluss und gleichzeitig etwas zur Entspannung wieder zurück in den grünen Teil des Geländes, um unser persönliches Highlight von Tag 1 zu sehen, Bastille. Die Indie-Rockband aus London versprühte bereits beim Opening Song “Good Grief” ihrer zweiten Platte “Wild World” (2016) erhoffte Gänsehautmomente. Die außergewöhnliche Stimme von Sänger Dan Smith sorgte vordergründig für den einzigartigen Bastille-Sound, während sich die Band um die nötigen Synthie-, Bass- und Drum-Sounds kümmerte. Das Set war der perfekte Mix aus ihren zwei Platten, denn es wurden (glücklicherweise zumindest für uns) auch etliche Nummern vom 2013er-Debütalbum “Bad Blood” gespielt, wie zum Beispiel “Icarus” oder “Things We Lost In The Fire”, bei denen uns instantly die Tränen in die Augen schossen.
Mit dem großen Emotionsrucksack vom ersten Tag machten wir uns mit dem Taxi auf den Weg zurück zu unseren Freunden. Ein kurzer Stopp an der Tanke für Mitternachtssnacks und Schlummergetränke musste noch drin sein und somit war Tag 1 abgeschlossen.
TAG 2
Die entspannte Routine hielt bereits Einzug und wir planschten erneut im hauseigenen Pool. Da sich unser Gastgeberpärchen so gut um uns gekümmert hat und wir uns so extrem wohlfühlten, beschlossen wir, Festivaltag zwei an unsere Mood anzupassen und legten einen gemütlichen One-Show-Trip zum Gelände hin. Am Abend ging es wieder mit dem Bus durch die grüne niederösterreichische Idylle zum Green Park und Nacht II konnte starten.
MACKLEMORE – MODESTEP
Nach für uns quälenden Momenten vom Wiener Assi-Rapper RAF Camora, der mit seinen teilweise homophoben und sexistischen Texten ZU VIELE Leute anzog, brauchten wir erstmals Drinks, um die Wartezeit für den nächsten Act besser zu nutzen. Nach einem kurzen Gelände-Strolling mit Snacks und Spritzern bewaffnet, kehrten wir zur Space Stage auf die Tribüne zurück und warteten auf Macklemore. Der US-amerikanische Hip-Hop-Superstar legte ein Konzert hin, das alles Bisherige vom Festival in den Schatten stellte. Partykracher, wie “Glorious”, “And We Danced”, “Thrift Shop” oder “Can’t Hold Us” brachten nicht nur uns zum Springen und Tanzen. Der Abriss-Faktor packte die komplette Crowd und die Menge war ein einziges Bild aus tanzenden Mack-Fans getaucht in ein abwechselnd oranges und rotes Party-Lichtermeer. Auf der Bühne ist mindestens genauso viel passiert, wie davor: Verschiedenste Background-Sänger kamen zum Einsatz, tanzende Ladies und etliche Outfit-Changes des Sängers aus Seattle, der eigentlich Ben Haggerty heißt, waren Teile der wilden Headliner-Show. Neben Party gab’s aber auch ruhigere Momente, wie zum Beispiel bei der Queer-Hymne “Same Love” vom Erfolgsalbum “The Heist” (2012). Love Spreading mit relevanten Inhalten und Akzeptanz für alle Menschen aus der LGBT-Community erzeugten bei uns Gänsehaut am ganzen Körper und Macklemore war somit für uns der beste Act am Freitag.
Warmgetanzt ging es für uns nochmal kurz an die Bar. Danach verschlug es uns in den Nightpark zur UAF Stage. Unsere Partylaune hat ihr Maximum erreicht und wir tanzten mit neugewonnenen Freunden zu harten Dubstep Beats von Modestep. Das DJ-Set der Londoner EDM-Combo gepaart mit den Visuals und der Lightshow machten unsere Nacht zum Tag und nach gefühlt einigen Stunden später stolperten wir aus dem Nightpark hinaus in Richtung Unterkunft.
TAG 3
Drinks und Poolwasser waren kalt und Tag drei machte seinem Namen alle Ehre. Von dem Tag an feierten wir nämlich zu dritt mit einer unserer Gastgeberinnen am Festival. Mit neugewonnener Frauenpower machten wir uns dieses Mal am Nachmittag mit dem Auto und standesgemäßer Roadtrip-Motivationsmusik zum Green Park.
THE VACCINES – LEFT BOY – CASPER
Unser erster musikalischer Stopp am Samstag waren die Londoner Vaccines auf der Green Stage. Der Mix aus Indie-Rock und Brit-Punk war der perfekte Soundtrack, zu dem wir mit Drinks und Zigaretten in der Hand und mit Sonnenbrillen auf der Nase den beginnenden Sonnenuntergang genossen.
Abend Nummer 3 ging feuchtfröhlich an der gleichen Bühne mit Left Boy weiter. Der Wiener Rapper mit hohem internationalen Erfolg (und Sound) rappte seine ganze Hit-Bandbreite seiner zwei Alben und seiner mehreren EPs runter. Die Visuals mit den abwechselnden Worten “Drugs” oder “Sex” waren zwar platt, aber das ist nun mal der aktuelle Zeitgeist der Trap- und Cloud-Rap hörenden Jugendlichkeit. Das kurze, überraschenderweise sehr rockige, Set war mit Mash-ups von den Backstreet Boys, Remixes von Lana Del Rey und Call Me Maybe Samples gefüllt, was zwar tanzbar, aber austauschbar war und wenig Eindruck bei uns hinterlassen hat. War ja ganz nett und wir waren auf jeden Fall ready für Show 3 an Tag 3.
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Angekommen vor der Space Stage warteten wir auf unseren Hauptact des Abends, dem Wahlberliner Rapper Casper. Der zum aktuellen Album-Artwok passende Stacheldrahtvorhang fiel und der Musiker eröffnete seine Show mit dem Song “alles ist erleuchtet” vom aktuellen Album “Lang lebe der Tod” (2017). Bei Casper stand und steht immer die Musik im Fokus, so auch an dem Abend. Zu düsterem Bühnenbild und gewohnt kratziger Stimme des Musikers sprangen und rappten die tausenden Cas-Fans zu einer sehr durchwachsenen Setlist. Von der Anti-Hymne “Mittelfinger hoch” und Nummern vom 2008er Album “Hin zu Sonne” gab es eine perfekt inszenierte Zeitreise zu “XOXO” mit Songs wie “auf und davon” oder “der Druck steigt / Blut sehen” über “Hinterland” mit “im Ascheregen” und “Jambalaya” bis hin zur neuen Platte und Krachern wie “Sirenen” und “keine Angst”. Die Energie zeigte Casper nicht nur auf der Bühne, sondern tauchte inmitten der Fans auf und performte in der Menge zwei Nummern. Geflasht und sehr glücklich von diesem Auftritt ging es dann nochmal zum Runterkommen für einige Drinks ab an die Bar und danach mit dem Auto zurück in unser Häuschen im Grünen.
TAG 4
Leichte Erschöpfungsanzeichen machten sich am finalen Tag bei uns bemerkbar. Doch der Sekt schmeckte wieder zu gut und ein abschließender Sprung ins kühle Nass war nochmal drin, bevor unser letzter Tag am Frequency begann.
SUM 41 – KALEO – IMAGINE DRAGONS
Sonntag stand für uns ganz im Zeichen von Rock: Die Punk-Helden unserer Jugend Sum 41 ließen direkt wieder unsere kleinen Emo-Teenagerherzen höherschlagen (ok gut, kann auch der vierte Tag Alkohol in Folge gewesen sein). Der frühe Abend begann also wieder bei Sonnenuntergang, guter Musik und Drinks in jeder Hand.
Nach einem Spaziergang über das Gelände, das nochmals als perfekte Fotokulisse für unsere Instagram-Profile herhalten musste, kehrten wir zur Space Stage und Kaleo zurück. Die vierköpfige isländische Rockband schlug vor zwei Jahren als Indie-Bombe mit ihrem Debütalbum “A/B” ein und versüßte uns den Sonntagabend mit den Dauerbrennern “Way Down We Go” und “No Good”.
Nach einbrechender Dunkelheit und der letzten Umbaupause ertönten dann klassische Klänge, bevor der Mega-Kracher “Radioactive” als Opener des letzten Acts aus den Boxen kam. Die US-amerikanischen Rocker Imagine Dragons aus Las Vegas betraten die Bühne und es war an der Zeit, ein letztes Mal auszurasten. Die epischen Nummern “Thunder” oder “Demons” brachten nochmal die letzten Kraftreserven aller FQ-Besucher hervor und wir tanzten zu den Songs der drei Studioalben der Band. Neben dem musikalischen Höhepunkt des Tages war vor allem Sänger Dan Reynolds auch unser optisches Highlight des Festivals. Mit gestähltem und freiem Oberkörper nur ausgestattet mit kurzer Sporthose und weißen Socken sprang der Sänger auf der Bühne herum und zeigte, was er neben seiner Stimme noch so zu bieten hat.
Um 23:00 Uhr verließen die Imagine Dragons dann die Bühne und die Final Closing Show mit ordentlich Pyro und Feuerwerk beendete das Festival. Die viertägige Party war somit rückblickend wieder viel zu schnell vorbei und somit machten wir uns auf den Weg in unseren Alltag nach Wien.
Für uns ging es dieses Jahr nicht nur rein um Musik und die Acts an sich, sondern um ein viertägiges Frequency-Erlebnis rund um das Festival. Mit dem ganzen Drumherum, angefangen von der privaten Unterkunft mitten im Grünen, über Poolpartys zuhause und den Drinks bei Freunden bis zu den sehr abwechslungsreichen Acts war das diesjährige FM4 Frequency Festival ein viertägiger Kurzurlaub am Land mit fetter Livemusik.
So viele Highlights, die das Festival dieses Jahr auch für uns zu bieten hatte, gab es leider ebenso einen großen (sehr großen) Nachteil: Der minimale musikalische Frauenanteil. Bei insgesamt 113 Acts im Day- und Nightpark waren es 14 Acts, wo wenigstens eine Frau auf der Bühne oder an den Turntables stand. Das sind gerade mal 12 Prozent (!!!) Komm schon, Frequency: Das geht nächstes Jahr bitte wieder besser!
Sidenote: Für uns gab es nicht nur am Festivalgelände Kunst in Form von Musik, sondern auch zuhause bei unseren Gastgeberinnen. Dort hing die Kunst nämlich an den Wänden, denn eine der beiden Ladies ist begnadete Malerin. Wenn ihr Lust habt, seht euch doch ihre Bilder HIER an. Wir sind nach den Tagen auf jeden Fall verliebt. In alles.
Text Michael Haller
Fotos Julian Behrenbeck