Wir müssen reden. Und zwar über Musik. Die Weihnachtszeit bietet jährlich die Möglichkeit, sich für kurze Zeit dem Nichtstun hinzugeben und sich genüsslich auf dem Sofa zu fläzen. Ich habe diese Zeit genutzt, um ganz konzentriert und bewusst Musik anzuhören, Charts um genau zu sein.
Ist das deren Ernst? Möchte uns die Musikindustrie für dumm verkaufen? Dass die meisten Songs heute am Computer produziert werden, die Interpreten oftmals kein Instrument bedienen können und Image alles ist: Okay, kann ich mit leben, habe ich mich dran gewöhnt. Aber die Lyrics? Ernsthaft?
„Er sagt ich habe zu arbeiten, arbeiten, arbeiten, arbeiten, arbeiten, arbeiten. Er sieht mich den Schmutz, Schmutz, Schmutz, Schmutz, Schmutz, Schmutz machen.“
(Rihanna – Work)
„Ist es zu spät, um Entschuldigung zu sagen? Denn ich vermisse mehr als nur deinen Körper …“
(Justin Bieber – Sorry)
„Du möchtest einen heißen Körper? Du möchtest einen Bugatti? Du möchtest einen Maserati? Dann arbeitest du mal besser, Schlampe!“
(Britney Spears – Work Bitch)
„Du hast das, du hast das, du hast das Milchgeld. Ich hab das, ich hab das M.I.L.F.-Geld.“
(Fergie – M.I.L.F.$)
„Denn die Spieler werden spielen, spielen, spielen, spielen, spielen. Und die Hasser werden hassen, hassen, hassen, hassen, hassen, Säugling, ich werde es einfach abschütteln, schütteln, schütteln, schütteln, schütteln, schütteln, ich schüttle es ab, ich schüttle es ab.“
(Taylor Wift – Shake It Off)
„Hey-ey-ey-ey-ey-ey, wie ein wildgewordenes Mädchen, ein gutes Mädchen wird wild, Ich bin wie, hey-ey-ey-ey-ey-ey, wie ein wildgewordenes Mädchen.“
(Madonna – Girl Gone Wild)
„Überall, wo ich jetzt hingucke, bin ich von deiner Umarmung umgeben. Säugling, ich seh deinen Heiligenschein, du weißt, du rettest meine Anmut“
(Beyoncé – Halo)
Danke dafür. Ich gebe zu: Die Übersetzung ist doch recht wortwörtlich, zeigt aber dennoch sehr eindrücklich, wie sinnentleerte Songtexte sein können.
Lyrics so deep wie ein Nichtschwimmerbecken, mit so viel Inhalt ein Bierglas am Ende des Abends. Das ist kein Phänomen der letzten Jahre, schon Anfang der 2000er stellte die Band ATC fest, dass das Herz „schlägt wie eine Trommel, wie eine Trommel – bam, bam, bam, bam, bam, bam“ und die Vengaboys fuhren „Woah! Nach Ibiza. Whoa! Zurück zu Insel“, um dort eine Party zu feiern … Vielleicht zusammen mit Loona, um gemeinsam ihren Hit „Bailando“ anzustimmen, dessen Inhalt mir bis heute wirklich gänzlich versperrt blieb.
Wie dem auch sei: Durch die intensive und durchaus amüsante Beschäftigung mit diversen Songtexten und deren Übersetzung – an dieser Stelle ein dickes Sorry an meine Freunde, die seither meine Direktübersetzungen ertragen müssen – konnte ich feststellen, dass ich eigentlich nie so wirklich auf den Text achte. Wenn man mich fragt, worum es in Lady Gagas „Joanne“ geht, würde ich zunächst vermuten, dass ein Hut in Pastell-rosa besungen wird, da ich mich bisher nicht mit dem eigentlich Text auseinandergesetzt habe, obwohl ich das Lied mehrfach gehört habe. Jedoch immer nur nebenbei: In der U-Bahn, im Auto, in der Küche.
Und bitte nicht falsch verstehen: Ich würde Lady Gaga auch dann noch lieben, wenn sie über den Verwesungsprozess von Hackfleisch oder die wissenschaftliche Bedeutung der Quantenphysik singen würde. Aber nichtsdestotrotz wäre es doch schön, wenn mal ein bisschen tiefer gekratzt wird als nur an der aus Wortwiederholung bestehenden Oberfläche … Also ist nur so eine Idee.
But who am I to judge?