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Auf Instagram erleben all deine digitalen Freunde auf Hochglanz polierte Alltagsabenteuer. Dahingegen wirkt dein eigenes Leben wie ein schwarz-weißes Stillleben einer leicht faulenden Obstschale? Das Leben der anderen wirkt immer spannender und du hast immer Angst etwas zu verpassen? Man nennt dies FOMO (The Fear of missing out). Doch vielleicht fehlt dir auch nur die richtige Perspektive. Ein neuer Trend namens JOMO (The Joy of missing out) zelebriert gerade dieses vermeintliche Verpassen und versucht dadurch, der Zeitgeist-Krankheit der getriebenen Cool Kids entgegenzuwirken.
Es ist Freitag. Die ganze Woche musste ich funktionieren, immer anwesend sein, immer freundlich sein und dabei natürlich auch noch gut aussehen. Ich sehne mich nach wohlverdienter me-time, doch meine Freunde haben laut Facebook andere Pläne: Heute findet doch die coolste Party des Jahres statt und jeder, der was von sich hält, lässt sich blicken. Ich habe absolut keinen Bock, mühsam meine letzten Charme-Reserven hervorzuholen, um sie unter den urteilenden Leute zu verteilen. Doch irgendwie muss ich – oder denke das zumindest. Wer weiß, was ich verpassen könnte…
Gar nichts! FOMO lähmt und behindert, denn es ist alles eine Frage der Perspektive, oder vielmehr nach der eigenen Erwartungshaltung. Ich erwarte, dass sich der geile Typ, dessen Insta-Profil ich als Spankbank missbrauchte, sich auf der Party unsterblich in mich verliebt. Doch stattdessen treffe ich nur auf die flüchtige Bekannte, die mich instant daran erinnert, dass flüchtig immer noch viel zu nah ist. FOMO bringt einen dazu, dass Gegenwärtige zu negieren und stattdessen in unbefriedigende Wunschvorstellungen abzudriften.
Das Problem sind also jene filmreifen “was-wäre-wenn-Szenarien”, die sich, durch Social Media beflügelt, in unseren Köpfen manifestieren und uns dazu bringen, das Verpassen als verschwendete Zeit zu betiteln. Doch das ist es nicht! Viel mehr liegt in dem bewussten Verzicht auf Daueranwesenheit auch ein Weg zu innerem Gleichgewicht. Wann hast du das letzte Mal einfach nur existiert, nicht produziert oder kommuniziert? Vielleicht entstehen neue, machmal auch schmerzhafte Einsichten, die aber auch ihre Daseinsberechtigung haben. Vielleicht fällt dir aber auch nur auf, wie hässlich dein Vorhang eigentlich ist.
Ich habe die “Zeit mit mir selbst” bewusst in meinen Tagesablauf eingeplant und gelernt, “nein” zu sagen. Der Schlüssel zum bewussten Verzicht lag die ganze Zeit in meiner Hand – literally. Ich ließ mein Smartphone einfach mal zuhause, trackte meine Zeit in sozialen Medien und schaltete es eine Stunde vor dem Schlafengehen einfach aus. Die böse Technik ist aber nicht immer das Problem und Digital Detox auch nicht die einfache Lösung. Studien haben zwar gezeigt, dass zu viel Zeit am Smartphone zu Ängsten und Depressionen führen kann, aber deshalb muss ich doch nicht zum “früher war alles besser”-Einsiedler werden. Ich habe gelernt, dass es viel mehr um den bewussten Umgang und die richtige Balance geht.
Text: Christoph Huber
Header: awar kurdish/Unsplash