Wie jedes Jahr pilgerte unsere Redaktion auch dieses Jahr wieder zum berühmt-berüchtigten Milkshake Festival nach Amsterdam. In kurzen, knappen und knallbunten Outfits tanzten wir uns zwei volle Tage von leicht zu stark angeschwipst, feierten mit hüpfenden Herz-Luftballon-Menschen, schauten Amanda Lepore beim Ausziehen zu und feierten einfach worauf es bei diesem Festival am meisten ankommt: Die Liebe.
Samstag, 9 Uhr morgens, ein Hotelzimmer, irgendwo in Amsterdam: Ein chaotischer Haufen Berufskreativer köpft den ersten Sekt und startet damit nach gewohnter Manier in die kommenden feucht-fröhlichen Tage, die uns bereits bei knapp 36 Grad erwarten. Während wir versuchen, unser Make-Up an Ort und Stelle zu halten und so lange wie möglich, so gut wie nackt zu bleiben, plätschern die nächsten Tropfen Sekt ins Glas. Nach 2-3 weiteren Flaschen sind wir alle bereit. Das Make-Up sitzt, der Lippenstift ist gezogen und der Hauch von Nichts mit Blumenprint weht in der leichten Sommerbrise.
Wenige Minuten später finden wir uns im Westerpark vor dem Eingang zum Milkshake Festival wieder. Fast heimische Gefühle kommen beim dritten Jahr in Folge auf und wir sind voller Vorfreude und der besten Laune. Nach einem herzlichen Empfang des Milkshake Teams am Presseeingang, sind wir also wirklich und offiziell zurück. Auf unseren Gesichtern macht sich sofort ein riesengroßes Grinsen breit: Es ist gerade einmal 13 Uhr und Amsterdam zeigt sich mal wieder von seiner schönsten Seite. Egal ob halbnackt, mit bunten Farben bemalt, glitzernd oder einfach queer, bereits nach 5 Minuten übers Gelände streunern, wissen wir wieder, wieso wir diesen Ort bei unserem ersten Besuch, als den queeren Himmel auf Erden bezeichneten. Die Hausregelns des Festivals (No: Sexism, Transfobia, Homofobia, Racism, Ableism, Fatfobia) bringen nur das Schönste in den Besuchern hervor und auf ihre Körper. Ein rosa Nebel an Liebe schwebt – gefühlt – über dem Gelände und wir tun, was wir am Besten können: Mit einem Drink in der Hand zu den sanften elektronischen Klängen zwischen wunderschönen Menschen über die Tanzfläche schweben. Auch wenn wir als Touristen niemanden vor Ort kennen, fühlen wir uns sofort als Teil dieser Community und kommen schnell mit anderen Besuchern ins Gespräch. In den meisten Fällen sorgen all die unterschiedlichen Looks der Tanzenden für den Pinguin der das Eis bricht, um spannende Gespräche zu führen oder für ein-zwei Fotos gemeinsam zu posen.
Wir umrunden das Festival mehrere Male und tanzen und von Bühne zu Bühne von Pop zu R’n’B zu House zu Techno. Für jeden Geschmack ist etwas dabei und jeder findet die richtigen Tunes, um Stunde um Stunde zu tanzen, sodass wir die untergehende Sonne kaum bemerkten. Überall Nebel, bunte Lichter und immernoch feierwilde Amsterdammer. Wir stoßen auf den ersten Abend an und finden uns eine Stunde später glücklich, sehr betrunken und vollkommen KO im Bett wieder.
Sonntag, 9 Uhr morgens, ein Hotelzimmer, irgendwo in Amsterdam: Leicht verkatert öffnen wir unsere Augen. Der erste Sektkorken knallt munter durchs Zimmer und wärmt die Partylaune von Gestern schnurstracks auf. Bereits 10 Minuten nach dem Augenöffnen, stehen wir also mit dem ersten Glas Sekt im Bad und frischen das leicht verschmierte Make-Up vom Vortag auf. Noch leicht in der rosa-schimmer Wolke vom Vortrag wühlen wir uns durch unsere Koffer auf der Suche nach den Looks für Tag 2. Ausgelöst durch die vielen positiven Reaktionen auf mein Blumen-Outfit von gestern und der Menge an halbnackter Menschen, aller Körperformen, entschließe ich mich, mal was zu tun, was ich zuvor noch nie getan habe: Das geplante Outfit wandert zurück in den Koffer und im Gegenzug hole ich die Strapsen aus den Untiefen zu Tage. Lediglich diese, ein Leder Harness, Unterwäsche und ein Hauch von Schwarz sollen mein Outfit sein. So nackt und gleichzeitig selbstbewusst habe ich mich noch nie gefühlt. Tag 2 und die weiteren Gläser Sekt können also kommen, bevor wir uns in einen Haufen aus Glitzer werfen und erneut aufbrechen.
Euphorisch tänzeln wir unter den knallpinken Luftballon Buchstaben am Eingang des Milkshake Festivals hindurch, zur Bar, zur ersten Bühne. Wir sind früh dran. Das Gelände ist noch recht leer, aber füllt sich von Minute zu Minute. Wo eben noch Platz für ein-zwei Runway-Video-Aufnahmen war (die wir uns nicht nehmen lassen konnten) tanzen jetzt schon wieder lauter bunte Menschen. Nachdem wir kurz ein paar Tränen bei der Hochzeit von Mia & Naddel (unserer lesbischen Begleitung) verdrückt haben, die vor Ort inszeniert wurde, finden wir uns an der Drag Stage wieder, eines unser jährlichen Highlights des Milkshake Festivals. Mit einem Drink in der Einen und dem Handy in der Anderen, jubeln wir den Queens zu, während sie mit ganzem Körpereinsatz und einigen Kostüm-Reveals über die Schachbrettbühne fegen. Nach einer Stunde geballter Drag-Power, samt eines wirklichen Heiratsantrags, beschließen wir eine Runde mit dem Riesenrad zu drehen und uns das Spektakel aus der Luft anzusehen. Jedes Jahr wieder ist dies einer meiner Lieblingsmomente. Von hier oben wirkt das ganze noch bunter, noch queerer und noch schöner.
Wieder auf dem Boden angekommen streunern wir übers Gelände, hin zur pinken aufgeblasenen Plastikburg und lassen unsere Kurven ein Weiteres kreisen. Auf dem Weg dahin fällt uns auf, dass das Milkshake dieses Jahr sogar einen abgetrennten Bereich für jene hat, die beim Feiern lieber ganz auf Klamotten verzichten wollen.
Mit der Kamera bewaffnet legen wir noch ein kleines Shooting ein, holen uns neue Drinks und lassen uns in einer gemütlichen Ecke nieder, um für einen Moment auszuruhen. Doch: Noch eine Runde Tanzen soll es sein, bevor wir uns im Taxi auf dem Weg zurück ins Hotel befinden. Nach 2 Tagen voller Drinks, Drags und Dreads-Flechten sind wir alle leicht müde, extrem glücklich und mit schönen Erinnerungen gefüllt, aber müde. Milkshake? Es war uns wie jedes Jahr ein Fest. Ein wunderschönes Erlebnisvoller bunter Persönlichkeiten, kompletter Freiheit und einer ganzen Menge Liebe in der Luft geht zu Ende und wir sagen: Danke! Mit Glitzer drauf.
Unser Tipp: Falls ihr noch auf der Suche nach dem ultimativen LGBTQIA+ und Pride Erlebnis für den Sommer 2019 seid und Lust habt Amsterdam zu erkunden, dann bucht euch direkt eine ganze Woche in der holländischen Hauptstadt ein. Denn genau ein Wochenende nach dem Milkshake Festival findet eine der schönsten Pride Paraden der Welt in Amsterdam statt. Übersetzt heißt das so viel wie: 7-8 Tage feucht-fröhliches Durchfeiern.
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Text + analoge Fotos: Julian Behrenbeck
Fotos + Video: I AM MIA