Gen Z Edition

MYTHS AND NEW INSIGHTS ABOUT GEN Z

AN INTERVIEW WITH FUTUROLOGIST MARCEL ABERLE

Ob bei Sumerern, Babyloniern oder Römern, kaum eine negative Meinung hält sich so hartnäckig wie jene über die nächste Generation. Schon eine alte Keilschrift 4000 vor Christus hat beim Gedanken an die Jugend das Ende der Welt prophezeit. Was ist nun also dran an den Gerüchten und landläufigen Meinungen über die GenZ? Ist sie faul und arbeitsscheu oder doch der treibende Impuls einer neuen Gesellschaft?

 
Wir haben gemeinsam mit Zukunftsforscher Marcel Aberle zahlreiche Fakten und Studien in den von ihm entwickelten Trend Canvas eingeordnet und analysiert. Für diese Ausgabe haben wir ihn zu den Ergebnissen und seinen persönlichen Kenntnissen befragt, mit einem spannenden Ausgang.


VANGARDIST: Man hat das Gefühl, gerade bleibt kein Stein auf dem anderen. Wie lebt es sich aktuell als Zukunftsforscher?

Marcel Aberle: Wir befinden uns mitten in einem Epochenwandel zum digitalen Zeitalter, und Zeiten des Übergangs sind immer sehr spannend und natürlich herausfordernd. Nun kommt es auf uns an, dieses Zeitalter zu gestalten und in eine enkelfähige Zukunft zu transformieren. Aktuell wirkt es eher wie eine große Konfusion, denn wir müssen vieles loslassen und komplett neu denken. Die Trend- und Zukunftsforschung ist dabei essentiell, denn sie zeigt mögliche Wege und Potenziale auf. Sie gibt Orientierung.

V: Du hast einen eigenen Trend Canvas entwickelt. Wie kam es dazu und was sagt er aus?

MA: Wenn wir Trends beobachten und darüber diskutieren, dann bildet sich regelrecht ein Wulst an Gedanken im Kopf, unzählige Abhängigkeiten, Konsequenzen und Hypothesen entstehen. Mit dem Trend Canvas habe ich ein Framework entwickelt, das diesen Stress im Kopf auflöst und die Komplexität greifbar macht. Er hilft mir beim Sortieren und Verknüpfen meiner Gedanken und bei Research-Ergebnissen, denn das Denken in Zusammenhängen und das Vermeiden von Blind Spots ist sehr wichtig. Nicht nur bei der Trendanalyse.

V: Welche Ergebnisse liefert dein aktueller Trend Canvas in Bezug auf die GenZ?

MA: Wir haben ein ganzheitliches Bild der Zusammenhänge erstellt. Dafür haben wir über 20 Studien von anerkannten Unternehmen und Institutionen wie Deloitte und Statista analysiert, von den Bedürfnissen und Herausforderungen der Generation bis zu den Auswirkungen auf die Kommunikation und Produktentwicklung. 

V: Wie kann man sich die GenZ vorstellen?

MA: Die Medien wollen uns gerne ein Bild von der GenZ verkaufen, aber das eine Bild gibt es nicht. Wir leben in einer sehr diversen Gesellschaft, und das spiegelt sich auch in der GenZ wider. Von Jugendlichen, die sich auf die Straße kleben, um das Klima zu retten, bis hin zu Altersgenossen, die ihre Urlaube auf Basis der besten Photoplaces planen. Gewisse Tendenzen sind jedoch erkennbar. 

V: Was hat dich dabei besonders überrascht?

MA: Die Screentime der Angehörigen der GenZ ist enorm hoch, da sprechen wir von über sieben Stunden am Tag. 

Wenn wir davon ausgehen, dass wir durchschnittlich 16 Stunden wach sind, dann verbringen sie 160 Tage im Jahr am Screen. Das ist alarmierend. Social Media, speziell TikTok, spielt hier eine große Rolle. 

Parallel ist die mentale Gesundheit ihrer Generation sowohl in Österreich als auch weltweit eine der fünf größten Sorgen der GenZ.Hier erkennt man deutliche Zusammenhänge. Wenn ich jeden Tag unzählige Stunden gezeigt bekomme, wie großartig das Leben der anderen ist und was ich alles tun und wie ich aussehen sollte, dann ist das eine große Challenge, besonders für junge Menschen, die mitten in ihrer Entwicklung stecken.

V: Welche Vorurteile gegenüber der GenZ haben sich nicht erhärtet?

MA: Sämtliche Statistiken zeigen, dass die GenZ nicht arbeitsfaul ist, was man ihr ja ständig vorwirft. Die Veränderung weg von autoritären Erziehungsstilen hat zu mehr Selbstbewusstsein bei den jungen Menschen geführt, wodurch man Tendenzen zu einer deutlich bewussteren Lebensführung erkennt. 

Einfach gesprochen, werden sämtliche Dinge und eben auch die Arbeit hinterfragt: Wie viel muss ich arbeiten? Wie viel Geld benötige ich? In welche Arbeit möchte ich meine kostbare Zeit investieren? Diese Tendenzen hat man schon bei der GenY erkannt. Das Spannende ist, sie fordern genau die Dinge, die Sterbende am Sterbebett bereuen. Mehr Courage, sein eigenes Leben zu leben. Nicht so viel arbeiten. Den Mut, Gefühle auszudrücken. Den Kontakt zu Freunden aufrecht halten. Glücklich sein.

V: Welche Themen werden in Zukunft wichtig werden?

MA: Identitätssuche und mentale Gesundheit sind ein großes Thema bei der GenZ. Wenn ich alles sein kann, dann muss ich auch selbst entscheiden, wer ich sein möchte und die Verantwortung dafür tragen – das in einer von Social Media und Attention Economy geprägten Welt ist eine große Herausforderung.

V: Wie beeinflusst die GenZ jetzt schon die aktuellen Entwicklungen?

MA: Unternehmen müssen eine klare Identität und Purpose besitzen, um diese Generation abholen zu können. Führungskräfte werden immer mehr zum Coach, denn es geht darum, gemeinsam zu wachsen – womit wir beim Thema wertschätzender Umgang wären.

Außerdem sind sie super vernetzt, daher funktionieren Greenwashing und Wokewashing auch immer weniger. Wie hat schon Marc Mathieu – Head of Global Marketing Unilever –  gesagt: Marketing used to be about making a myth and telling it. Now it’s about telling a truth and sharing it.

Wenn wir auf Produkte schauen, dann ist Valuetainment der Schlüsseltrend. Einen klaren Mehrwert liefern und dabei unterhalten: ein großartiges Erlebnis (Experience) bieten. Besonders in Zeiten der Krise sind Spaß und Kultur wesentliche Ventile der Menschen, das war in den 20ern schon so. Für die GenZ trifft das natürlich besonders zu. Wenn ich die Power dieser Kombination nutze, um Gutes zu tun, bin ich eine Transforming Brand, wie z. B. Patagonia (Outdoor Bekleidungsmarke) – sie sind die Marken der Zukunft.

V: Sind neue Generationen eine Gefahr oder eine Chance?

MA: Die GenZ fungiert wie ein Brandbeschleuniger für die nötigen Transformationen, daher werden die nächsten Jahre sehr aufregend.


Text

Julian Wiehl (he/him), Marcel Aberle (he/him) @marcelaberle

Photos

Marco Hartmann, Andrea Sojka

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