Queer, sexpositiv und aufklärerisch: Das ist ELAV. Die Influencerin, formely known as Valentina Vale, ist seit Jahren auf Social Media unterwegs und bietet neben Fashion aufklärerischen Content. Zuletzt gab sie den Release ihrer Debüt-Single “diva”, das vom Tabuthema Depressionen handelt, bekannt. Auf Instagram trenden zurzeit politische Themen, was viele Influencer:innen für sich nutzen – doch wie viel davon ist nur Performativität? Für unsere Maximalist-Issue haben wir die Vielbeschäftigte zum Interview getroffen, um sie genau das zu fragen …
Vangardist: ELAV, du warst lange Zeit auf Social Media als Influencerin bekannt, jetzt startet mit “diva” deine Musikkarriere. Werden wir in Zukunft noch etwas von dir als Influencerin “Valentina Vale” sehen?
ELAV: Eine Musikkarriere war schon immer mein großer Traum. Ich hab mir dazu so viel überlegt: Ob ich zwei Accounts führen soll, ob ich das trenne oder besser nicht. Ich übe alle Seiten meines Berufs so gerne aus, und ich weiß nicht, ob ich damit aufhören könnte. Aber alles kommt von mir, demselben Menschen. Also hab ich beschlossen, das beisammen zu lassen. Ja, es ist ein bisschen komplex, weil ich viele verschiedene Dinge mache, aber ich geniesse das. That’s just me – you gotta take it all.
V: Als feministische Influencerin beschäftigst du dich mit gesellschaftspolitischen Themen wie Queerness und sexpositivem Content. Zurzeit scheint es gerade ein Trend zu sein, über politische Themen auf IG zu posten – auch viele Lifestyle-Influencer:innen tun das jetzt. Wie gehst du mit dem Druck um, immer abliefern zu müssen?
E: Diesbezüglich erlebe ich zum Glück keinen Druck von außen, aber ich merke schon: Wenn sich Dramatisches ereignet und viele Influencer:innen dazu Stellung beziehen, bekomme ich auch das Gefühl, dass ich etwas dazu sagen sollte. Ich bin aber sehr faktenbasiert und poste nur, wenn ich das Gefühl habe, ausreichend informiert zu sein. Oder ich teile etwas, wozu die Informationen schon gesammelt wurden.
V: Inwieweit wurden Lebensentscheidungen bei dir durch den Druck, performen zu müssen, beeinflusst?
E: In unterschiedlichen Phasen unterschiedlich viel. Ich habe inzwischen eine recht gute Balance. Ich habe gelernt, mich zurückzunehmen, wenn ich keine Energie mehr habe. Manchmal ist es auch okay, nichts zu posten. Aber ich liebe, was ich tue.
V: Wenn man sich als Influencer:in heute als queer outet oder zeigt, wie feministisch man ist – tut man das dann nur mehr für den Fame? Oder will man tatsächlich was verändern?
E: Ich glaube, es ist ein bisschen von beidem und abhängig davon, was der:die Creator:in in der restlichen Zeit des Social-Media-Daseins macht. Wenn es das ganze Jahr nur um oberflächliche Dinge geht und einmal im Jahr um etwas Politisches, heißt es zwar nicht, dass sich die Person sonst nicht dafür interessiert, aber es kommt natürlich anders rüber. Die Frage ist: Wie viel Aktivismus darf man von jemandem verlangen? Ich sehe mich auch nicht als Aktivistin, weil mein Fokus nicht darauf liegt. Aber ich bin eine queere Person, ich werde als weibliche Person gelesen, und ich habe mein ganzes Leben schon mit Dingen wie sexueller Belästigung zu kämpfen. Natürlich thematisiere ich das. Es ist ein Teil meines Lebens, und Social Media ist eine Darstellung desselben. Deswegen finde ich die Frage fast nicht beantwortbar. Denn selbst wenn ein Post nur der Reichweite dient, tut er der Thematik gut, weil sie dadurch mehr behandelt wird. Und ich finde Reichweite immer gut, auch wenn der:die Influencer:in keine politischen Intentionen hatte.
V: Wie viel Content empfindest du auf Social Media als bloß performativ?
E: Es muss nicht alles immer tiefsinnig sein. Ich möchte die Balance zwischen Ästhetik und relevanten Themen schaffen. Rein oberflächlich möchte ich nicht posten – aber manche Reels sind auch nur Shooting-Fotos, die ich schön finde. Es ist sehr aufwendig, informativen Content zu posten, und ich kann mir vorstellen, dass, wenn das wer ausschließlich und korrekt macht, jemand nicht lange durchhält. Selbst wenn du nur ein paar Fakten teilst, musst du sie recherchieren. Wenn du wirklich interessiert bist, informierst du dich so oder so – wie ich über Sexualität oder Queerness. Ich entscheide mich dann nur dafür, etwas zusammenzufassen, wenn ich mir denke, dass es vielleicht anderen hilft. Und ich glaube, so sind die meisten Influencer:innen, wenn sie solche Themen teilen.
V: Haben deine Follower:innen Einfluss auf deine Looks genommen?
E: Ich verändere mein Aussehen nicht für meine Follower:innen. Klar weiß ich, dass freizügige Bilder auf Social Media besser gehen und einige Richtungen besser funktionieren als andere. Fashion ist bei mir ein großes Thema, aber auch das lebe ich in verschiedene Richtungen aus. In erster Linie mache ich das, worauf ich Lust habe. Das Internet beeinflusst, wie ich mich style, weil ich mir da viel Inspiration hole, aber ich hab dann oft in der Nacht, bevor ich schlafen gehe, eine Idee für eine Frisur oder ein Outfit. Das probiere ich dann aus – manchmal funktioniert es, ganz oft funktioniert es auch nicht. Aber es ist wirklich selten der Fall, dass ich für andere irgendwas mache – es ist mein Körper und ich muss mich wohlfühlen. Darüber kann nur ich entschieden.
V: Was macht das mit einem, wenn man in der Öffentlichkeit steht und so viel Privates wie eine Beziehung oder Trennung teilt?
E: Auch wenn du 9 to 5 arbeitest, nimmt das Einfluss auf dein Privatleben, schon alleine, weil du in der Zeit nichts anderes machen kannst. Auch wenn ich viel teile, teile ich verdammt viel nicht. Ich hab teilweise Probleme mit meiner mental health, ich habe einen Lebensweg gewählt, der unkonventionell wirkt, finanziell bin ich noch nicht stabil unterwegs. Und Social Media ist für mich ein Tagebuch, deshalb muss es authentisch sein. Meine letzte Beziehung empfand das ähnlich. Oft postete ich Situationen, die halt unser Alltag waren. Dadurch, dass wir in einer queeren Beziehung lebten, haben wir viel positives Feedback bekommen. Viele fanden es schön, diese Repräsentation zu sehen. In konservativen Medien ist sie noch nicht häufig vertreten, auch wenn die Unterhaltung langsam lauter wird. Deswegen fanden wir es wichtig, diese Dinge zu thematisieren.” Ich glaube, Unwissenheit führt oft zu Unsicherheit und Angst, und diese zu diskriminierenden Handlungen. Ich führe in letzter Zeit viele Gespräche übers Queersein, mit Menschen, die keine bösen Absichten haben, sondern auf dem Gebiet einfach noch unwissend sind. Und ich habe die Basics erklärt, warum ich fühle, wie ich fühle. Solche Gespräche sind wesentlich, denn Verständnis führt zu mehr Toleranz und Akzeptanz.
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CREDITS
Editor
Iris Poltsch | @irispoltsch
Photography
Jonathan Gabler