Dieser Reisebericht erschien erstmals 2014.
Schon lange auf der Wunschliste und nun endlich, bin ich erstmals nach Toronto gereist. Auf meinem Programm stand neben Toronto ein Besuch der kanadischen Hauptstadt Ottawa sowie – wie könnte es anders sein? – ein Abstecher zu den weltberühmten Niagarafällen. Um es vorweg zu nehmen: dieser Besuch macht Lust auf mehr und weckte meine Neugier, Kanada noch intensiver zu entdecken.
World Pride Toronto 2014 – ein Statement für Diversity
Die World Pride 2014 (20.-29.06) fand diesmal in Toronto, Kanada statt. Ein würdiger Ort und ein würdiges Land für die World Pride: Kanada steht als klassisches Einwanderungsland für eine offene Gesellschaft, die sich nicht mit einer achselzuckenden „Toleranz“ zufrieden gibt, sondern „Diversity“ wirklich und mit großer Selbstverständlichkeit lebt. Die World Pride in Toronto ist ein starkes Zeichen der kanadischen offenen Gesellschaft. Die Teilnehmer der Pride kommen aus allen gesellschaftlichen Gruppen und staatlichen Einrichtungen, wie zum Beispiel Verwaltung, Polizei und Lehrerschaft.
„Mama, machst du ein Foto mit mir und der Drag Queen?“
Die Offenherzigkeit der kanadischen Gesellschaft wurde für jeden Besucher, der sich ins Getümmel der Pride begab, emotional spürbar – hier wurde nicht nur eine queere Spaßkultur abgefeiert, sondern mit „Pride“ unterstützte und feierte man das Leben als LGTB inmitten in der kanadischen Gesellschaft. Ein freies Fest für alle, ohne Grenzen in den Köpfen, weder bei jung, noch bei alt. So hörte man Kinder ihre Mütter ganz selbstverständlich fragen: „Mama, machst du ein Foto mit mir und der Drag Queen?“
Wasserpistolen sind ein „Must-have“ auf der Parade
Mini-Parade in der Parade: Die Polizei war mit mehreren Wägen, Motorrädern und Fußtruppen unterwegs.
Eine Stadt zeigt Flagge. An vielen Gebäuden und Geschäften ist die Regenbogenfahne zu sehen. Der CN Tower (Canadian National Tower) in der südlichen Innenstadt Torontos, ein 553 Meter hoher Fernsehturm und Wahrzeichen der Stadt, erstrahlt nachts in Regenbogenfarben. Sogar im circa eineinhalb Autostunden entfernten Niagara werden die berühmten Fälle mit buntem Licht beleuchtet.
Ein Fest für alle. An mehreren Bühnen, in und um das Gayviertel, fanden zahlreiche Acts statt. Und das alles bei freiem Eintritt. Noch mehr Bilder zum Gay Village gibt es hier
Die obligatorische Street Fair im Gay Village durfte natürlich auch nicht fehlen.
Die Abschlusskundgebung besticht mit einem hochkarätigen Line-Up und endet mit einem Feuerwerk.
Kiyomi McCloskey und ihre Bassistin von “Hunter Valentine“
West Queen West – Das Künstlerviertel Torontos
Nach dem Trubel auf Pride war es für mich langsam Zeit, die Stadt weiter zu erkunden. Für Shopping abseits der großen Marken in der Bloor/Yonge Street empfiehlt sich das „West Village“. Im Bereich Queen Street West/Trinity Bellwoods Centered Park ist die
alternative Szene beheimatet. Auch die Kultur kommt hier nicht zu kurz.
Meine Tipps im West Queen West
Byob Cocktail Emporium Hierbei handelt es sich um eine Art Cocktail-Zubehör-Boutique. Ein absolutes „Must go“ für den Cocktail-Liebhaber.
Lost & Found Schnell mal einen Rasierer und Sneakers kaufen und gleich einen Kaffee dazu trinken? Das „Lost & Found“ ist das „Schweizer Messer“ unter den kleinen Geschäften und hat 7 Tage die Woche geöffnet.
URSA Nachhaltigkeit wird in diesem Restaurant gelebt. Auf dem Dach wird das eigene Gemüse angebaut.
Academy of Lions Auch das Workout muss im Urlaub nicht zu kurz kommen. In diesem Gym wird ausschließlich Crossfit angeboten. Für Touristen ist ein einmaliges Training gratis. Es wird allerdings erwartet, dass an der Bar oder im Shop konsumiert wird.
West Qeen West Walk Den Besucher erwartet eine Mischung aus Kunst, Design, Populärkultur und Stadtgeschichte. Empfehlenswert!
Geistreich und bestens informiert führte mich Betty Ann Jordan durch West Queen West
Museum of Contemporary Canadian Art Bis 17. August ist hier noch die Ausstellung Over the Rainbow zu sehen.
Mapplethorpe, Warhol und viele andere große Namen der Kunst
Mitte rechts: Portrait des jungen Alain Delon
Niagarafälle
Natürlich darf bei einem Toronto-Besuch ein Abstecher zu dem nahe gelegenen Naturschauspiel nicht fehlen. Die Niagarafälle sind ca. 1½ Autostunden von Toronto entfernt. Es gibt viele Möglichkeiten, diese zu erkunden. Kostenfrei ist nur die Promenade entlang der Straße. Von hier aus hat man einen guten Überblick über die gewaltigen, tosend hinabstürzenden Wasserfälle. Die spektakulärste Möglichkeit, die Fälle zu erleben, hat man „Behind the Falls“: Durch ein Tunnelsystem gelangt man direkt hinter und neben die Wasserfälle! Nichts für Wasserscheue – ein Regenschutz ist aber in allen Eintrittspreisen inkludiert.
Der Klassiker ist natürlich eine Schiffsfahrt zu den Fällen.
Aussicht von der Straße
Behind the Falls
Schiffsfahrt zu den Niagarafällen
Aussicht vom Schiff
Weinregion Ontario
Bei einem Ausflug zu den Niagarafällen sollte man auch unbedingt einen Halt in der Weinregion Ontarios, der bedeutendsten Weinbauprovinz Kanadas, einplanen. Durch das milde Klima zwischen dem Ontario- und dem Eriesee (Lake Erie) gedeiht hier fast alles – außer tropischen Früchten. Meine Empfehlung: Peller Estates Hier schmeckt nicht nur der (Eis-)Wein ausgezeichnet, sondern auch die Speisen sind exzellent.
Exzellentes Essen in der Weinbauregion Ontario: Peller Estates
Weitere Tipps & Aktivitäten
Nach dem Tagesausflug zu den Niagarafällen und der Weinregion Ontario war es für mich Zeit, das Wahrzeichen der Stadt Toronto zu besichtigen, den CN Tower. Der Tower bietet einen tollen Ausblick. Der 553 Meter hohe Fernsehturm dominiert die Skyline von Toronto und war von 1975 bis 2007 das höchste freistehende Gebäude der Welt.
Aussichtsplattform „SkyPod“ auf 446,5 Meter
Aussichtsplattform „LookOut“ auf 342 Meter
Cruise Ebenfalls eine wunderbare Aussicht auf die Skyline der Stadt hat man von einem der zahlreichen Ausflugsschiffe. Ich habe im Rahmen der Worldpride an „RuPaul’s Drag Race Celebrity Cruise“ teilgenommen, bei welcher die 6 Finalisten der letzten Staffel auftraten.
RuPaul’s Drag Race Celebrity Cruis Dresscode: White
Romantische Abendstimmung am Oberdeck
Bianca Del Rio ist die Gewinnerin der letzten Staffel von RuPaul’s Drag Race. Vorsicht: böse Zunge
Art & Architcture
Ryerson Image Centre Das Institut widmet sich hauptsächlich der Fotografie, mit wechselnden Ausstellungen. Hier im Bilde sind Portraits der Ausstellung „Faces and Phases“ von Zanele Muholi zu sehen.
Art Gallery of Toronto gehört zu den größten und bedeuteten Kunstmuseen in Nordamerika. Auch das Gebäude des Architekten Frank Gehry kann sich sehen lassen.
Gleich daneben befindet sich die OCAD Universität (Ontario College of Art & Design) – ein interessantes Gebäude entworfen von Will Alsop.
Ein weiteres markantes Gebäude der Stadt (Daniel Libeskind) beherbergt das Royal Ontario Museum.
Eat/Drink
Richmond Station ist ein Restaurant des Gewinners der TV-Show „Top Chef Canada“, Carl Heinrich.
Sehr gute Küche!
Carl Heinrich bei der Arbeit in der Richmond Station
Wish Restaurant Gemütliches Szene-Restaurant im „South Beach“-Style mit durchschnittlicher Küche
Rooftop Lounge Die kleine Oase im Häusermeer ist auch untertags einen Besuch wert und es gibt ein Pool…
Cobacabana Im brasilianischen Grill-Steakhouse tanzen gelegentlich Brasilianerinnen zwischen den Tischen, immer jedoch wandern die Kellner mit leckeren Fleisch-Spießen unterschiedlicher Sorten von Tisch zu Tisch. Je nach Geschmack wählt man aus und lässt sich einfach eine Scheibe abschneiden. Für Fleischliebhaber ein Muss.
La Société Ein Restaurant im Pariser Bistro-Stil mit sehr freundlicher Bedienung.
Party
Das Nachtleben in Toronto hat für uns Europäer eine Besonderheit: Ab 2 Uhr Früh darf kein Alkohol mehr ausgeschenkt werden. Die Bar wird geschlossen und das Licht geht an. Um 3 Uhr ist dann endgültig Sperrstunde. Allerdings gibt es für besondere Anlässe Ausnahmen. Bei Worldpride war die Sperrstunde um 6 Uhr.
Der legendäre „Fly Nightclub“ (bekannt als Babylon von „Queer as Folk“) öffnete zum Pride Weekend zum letzten Mal seine Pforten.
Das PRISM Festival ist Nordamerikas größtes Circuit Music Festival. Zeitgleich mit Worldpride feierte PRISM sein elfjähriges Bestehen mit einer fünftägigen Partyreihe.
Was die Dichte an gutaussehenden und durchtrainierten Circuit Gästen angeht, steht PRISM der Stadt Madrid oder Miami um nichts nach. Hier ein paar Bilder dazu.
Cruising
Gay Saunas: Zu besonderen Anlässen wie Worldpride ist viel Betrieb. Wie ich nach 40minütiger Wartezeit im Steamworks erfahren musste, gibt es keinen Einlass ohne Ausweis – auch nicht für Touristen. Also unbedingt Führerschein oder Personalausweis mitbringen.
Facts:
Toronto ist eine schnellwachsende Weltmetropole und eine der sichersten Städte Nordamerikas. Die Einwohnerzahl beträgt 2,8 Millionen (mit Umland sind es ca. 6 Millionen). Ungefähr 50 Prozent der Einwohner wurden nicht in Canada geboren. So werden hier in etwa 130 Sprachen gesprochen. Torontos Stadtverwaltung publiziert in 30 Sprachen. Die nächstgelegenen Großstädte sind: New York, Chicago und Montreal.
Ottawa
Weniger als eine Flugstunde von Toronto entfernt liegt die kanadische Hauptstadt Ottawa. Ich besuchte die Hauptstadt am 1. Juli, dem kanadischen Nationalfeiertag „Canada Day“. Der Canada Day erinnert an die Bildung Kanadas am 1. Juli 1867. Die Bundeshauptstadt Ottawa ist an diesem Tag durch offizielle Feierlichkeiten geprägt. Im Vergleich zu Toronto hat Ottawa, trotz ihrer Eigenschaft als Bundeshauptstadt und obwohl sie ca. 900 000 Einwohner zählt, einen eher kleinstädtischen Charakter.
Der Ottawa River verbindet den englischsprachigen mit dem französischen Teil der Stadt
Canada Day
Der Nationalfeiertag der Kanadier wird zwar im ganzem Land gefeiert, aber so richtig offiziell ist er nur in Ottawa. Die ganze Stadt ist auf den Beinen. Zahlreiche Veranstaltungen finden in drei Zonen statt: Jacques-Cartier Park, Major’s Hill Park und Parliament Hill. Am letztgenannten Ort ist der Hauptschauplatz.
Alles wartet auf das Eintreffen der Politik-Elite
Canadian Mounties und Grenadier Guards
Canadian Snowbirds in Kunstformation über dem Parliament Hill
von Links: Premierminister Stephen Harper mit Gattin, Generalgouverneur David Johnston mit Gattin
Tipps & Aktivitäten
Parliament Hill Die drei eindrucksvollen Gebäude sind im britischen Neugotik-Stil errichtet.
Parliament Hill Centre Block und Bibliothek vom Ottawa River betrachtet
Parliament Hill East Block
National Gallery of Canada Das Gebäude mit der markanten Glaskuppel (errichtet von Mosche Safdie) und der riesen Spinne davor verfügt über eine umfangreiche Sammlung von Fotografien, Gemälden und Skulpturenmit mit Schwerpunkt auf kanadische Kunst.
Glaskuppel der National Gallery of Canada von innen
Riesige Spinne am Vorplatz der National Gallery of Canada
Canadian Museum of History Im meist besuchtem Museum des Landes (entworfen von Douglas Cardinal) dreht sich alles um die Geschichte Canadas seit der Besiedelung durch Menschen.
In Anlehnung an die Indigene Bevölkerung Canadas hat das Gebäude des Canada Museum of History keine Ecken
Fairmont Chateau Laurier
Mein persönliches Highlight von Ottawa ist das legendäre Fairmont Hotel. Dieses Luxushotel wurde im Jahre 1912 eröffnet, nachdem der Bauherr mit der Titanic für immer im Meer versunken war. Das Hotel beherbergte in seiner teils skurrilen Geschichte zahlreiche Celebrities, Staatsmänner und gekrönte Häupter. Aus dem siebten Stock sendete 80 Jahre lang ein Radiosender, ein Weltklassefotograf bewohnte fast 20 Jahre lang das Hotel und betrieb dort auch sein Studio. Das Hotel diente als Filmkulisse zahlreicher Filme.
Fairmont Chateau Laurier
Um das Kupferdach schneller oxidieren zu lassen mussten die Arbeiter dieses urinieren.
Fairmont Chateau LaurierLobby
Ein Angestellter ist ausschließlich zum Silberputzen des gesamten Hotels zuständig
Kanada – ich komme wieder!
Mein Eindruck von Natur, Städten und Menschen auf dieser Reise hat Lust auf mehr Kanada geweckt – in Toronto ist noch vieles zu entdecken, andere Städte wie Montreal und Vancouver warten darauf, besucht zu werden. Und Kanadas Naturlandschaften sind riesengroß …
Bild und Text: Martin Darling
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