Blockchain-Technologie, Kryptowährungen und Non-Fungible Tokens (NFTs) sind in der Gegenwart angekommen. Im Metaverse werden mittlerweile sogenannte NFTs gehandelt, als wären es Objekte in der “echten” Welt. Diese weisen eine digitale Signatur auf einer Blockchain auf und sind somit de facto einzigartig. Vor allem die Kunstwelt wird von dieser Technologie gerade aufgemischt. Laut der Financial Times wurden im vergangenen Jahr weltweit NFTs für über 41 Milliarden US-Dollar verkauft. Im Vergleich dazu beliefen sich die Umsätze auf dem konventionellen Kunstmarkt im Jahr 2021 auf etwa 50 Milliarden. Wir haben exklusiv mit dem Geschäftsführer für Consulting des deutschen Zukunftsinstituts Marcel Aberle über NFTs, Metaversen und die Zukunft der Kunstwelt gesprochen…
Vangardist: Marcel, Non-Fungible Tokens existieren im Metaversum.
Was ist das und wie unterscheidet es sich vom klassischen Internet?
Marcel: Ein Metaversum ist im Endeffekt eine parallel existierende digitale Welt. Solche gibt es im Internet schon lange, beispielsweise Fortnite oder World of Warcraft. Dort werden eigene Avatare generiert, die sich auch untereinander bei echten Konzerten vernetzen – ein digitales Leben quasi. Der große Unterschied zwischen Internet und Metaversum ist der Nutzen. Im Internet werden Inhalte konsumiert, im Metaversum werden digitale Realitäten gelebt. Die Idee wäre jetzt, alle einzelnen Metaversen miteinander zu verknüpfen und eine unendliche Einheit zu generieren. Dann wäre es möglich, sich mit seinem digitalen Abbild über mehrere Welten zu bewegen. Die große Frage im Moment ist: Wer wird der Key Host, also jene Plattform, die alle Metaversen verbindet und unter Kontrolle hat? Der Wettbewerb darum ist bereits angelaufen und Unternehmen stehen in starker Konkurrenz. Niemand weiß, ob ein riesiges Metaversum funktioniert. Im Kleineren sehen wir schon lange, dass Metaversen großen Anklang finden und auch zukünftig finden werden.
V: Wie geht die Gesellschaft mit diesem Trend zum Metaversum um?
Leben wir bald nur mehr in der digitalen Welt?
M: Gesamtgesellschaftlich fällt ein klarer Gegentrend zur Digitalisierung auf – je mehr wir digitalisieren, desto mehr schätzen wir Haptisches. Das Problem bei Digitalem ist, dass es keinen Anfang und kein Ende gibt. Für Menschen ist diese Unendlichkeit schwer zu erfassen und fast schon uninteressant. Sie besinnen sich wieder auf Dinge, die das Belohnungszentrum aktivieren – wie Schallplatten zu hören oder Bücher zu lesen. Das, was wir “Zukunft” nennen, entsteht immer rekursiv, also Trend gegen Trend. Bezüglich der Hardcore-Digitalisierung entwickelt sich etwa klar der Gegentrend Achtsamkeit. Menschen lernen dadurch, ihren Digital-Konsum zu regulieren.
V: Kann ein Metaversum zukünftig zu einer inklusiveren Gesellschaft beitragen?
M: Der Zugang zur digitalen Welt ist wesentlich einfacher als Zugänge im realen Raum. Es gibt digitale Museen, dort treffen sich Menschen ohne Barrieren. Menschen von überall, aus jeglichen Gesellschaftsschichten, auch Menschen mit Einschränkungen wird ein völlig neuer Raum der Partizipation eröffnet. Bestes Beispiel ist die Kunst. Kunst ist plötzlich nicht mehr eine elitäre Sphäre, sondern zugänglich für jede Person, die Zugang haben möchte! Menschen sind keine Grenzen bezüglich ihres kreativen Potenzials und ihrer Möglichkeiten gesetzt. Auf der anderen Seite fehlen den Menschen aufgrund der Grenzenlosigkeit des digitalen Raums Orientierung und Stabilität. Das ist die Spannung des Diskurses.
„ Der digitale Raum des Metaverse ist ein Kanal,
der sich weiterentwickeln wird und der nicht mehr wegzudenken ist.”
V: Wie ist das Verhältnis zwischen Non-Fungible Tokens und der Kunst in Metaversen?
M: Simpel gesagt sind Non-Fungible Tokens ein zusätzlicher Baustein für die Branche. Mit NFTs werden digitaler Kunst Einzigartigkeit und ein hoher Wert zugeschrieben. Durch die klare Zuweisung von Besitz hat sich ein komplett neuer Markt eröffnet. Die Vernetzung der beiden Welten wird immer zentraler. Es gibt jetzt beispielsweise Artivive, ein Wiener Start-up, das sich auf die Verschmelzung von realer und digitaler Kunst spezialisiert. Mittels Augmented Reality ist es möglich, durch reale Museen zu spazieren und zusätzlich mehr über die Hintergründe der im Museum gezeigten Kunst zu erfahren. Die Ästhetik des Bildes kann mittels Online-Tools verändert werden. Es ist also möglich, Neues zu erschaffen oder Bestehendes mittels digitaler Elemente zu erweitern. Eigentlich ein Gewinn! Jedoch erzeugt digitale Kunst eine starke Polarisierung innerhalb der Gruppe der Kunstschaffenden. Die einen finden sie ganz furchtbar, die anderen unterstützen den digitalen Markt. Ich bin überzeugt, dass sich dieser Markt etablieren wird und dass NFTs gekommen sind, um zu bleiben.
V: Wohin entwickelt sich der Kunstmarkt und wie werden wir zukünftig Kunst erleben?
M: Die Bewegungen hin zu Real-Digital, also dass die reale Welt digitale Möglichkeiten als Erweiterungen nutzt, wird sukzessive zunehmen. Virtual Reality und auch Augmented Reality sind Technologien mit echtem Mehrwert für Menschen. Eine intensivere Auseinandersetzung mit Kunst ist möglich, ein enormer Lerneffekt ist die Folge. Das Digitale wird das klassische Bild nie ersetzen. Digitalität ist einfach ein Add-on. Es wird immer mehr Menschen geben, die diese digitalen Möglichkeiten nutzen werden, aber es wird genauso Menschen geben, die sie nicht nutzen wollen. Ich denke, am Prinzip der Kunst wird sich nichts ändern, egal welches Medium für die Kunst schlussendlich gewählt wird. Der digitale Raum des Metaverse ist ein Kanal, der sich weiterentwickeln wird und der nicht mehr wegzudenken ist. Dort sind der Kreativität keine Grenzen mehr gesetzt, und ich denke, da werden wir noch viele interessante Dinge erleben.
CREDITS
Editor
Laura Hafeneder | @offenes.fenster
Artworks
Tezos | Unsplash