Ein Sonntagnachmittag mit Netflix im Bett. Gibt es einen schönere Vorstellung zu Zeiten der Digitalisierung? Und wenn dann auch noch ein Klassiker wie Gilmore Girls über den Bildschirm flimmert sind Retro und Nostalgie in deinem Wohnzimmer komplett angekommen… Doch nehmen wir mal an, man schaut die Serie in einem etwas anderen Kontext, lässt die Außenwelt doch nicht ganz draußen, die Nostalgie dafür aber schon und konzentriert sich auf mehr als nur den wahnsinnigen Koffeinkonsum der Girls. Genau dann nämlich beginnen unsere geliebten Gilmore Girls uns ziemlich auf die Nerven zu gehen…
LIVE MORE, TALK MORE, GIL-MORE?
Tür auf, Tasche in die Ecke, Schuhe aus, Fernseher an. Diesmal auf dem Programm? Gilmore Girls. Perfekt! Ich sitze also vor der flimmernden Kiste, Jogginghose an, die aufgewärmte Pasta von gestern auf dem Schoß und lasse mich von dem Kleinstadt-Charme in Gilmore Girls berieseln. Doch während mein Teller immer leerer wird (das nächste mal gibt es Salat, ganz bestimmt…) komme ich bei vielen gezeigten Szenen um ein dramatisches Augenverdrehen nicht herum. Da will man einmal entspannt den Tag ausklingen lassen und genau dann fällt es mir immer schwerer, einige fragwürdige Szenen der von 2000 bis 2007 laufenden Show zu ignorieren… Homophob? Rassistisch? Wirklich? Ach verdammt, nicht auch noch bei unseren Gilmore Girls…
Erinnert ihr euch an den Moment, als Luke (Scott Patterson) die Tasche von Kirk (Sean Gunn) ziemlich abfällig als gay beschreibt? Oder die Tatsache, dass Amy Sherman-Palladino, die Produzentin der Show, ursprünglich wollte, dass Sookie (Melissa McCarthy) lesbisch ist, das Network sich jedoch dagegen stellte. Der Grund: Die öffentliche Toleranz war dafür noch nicht gegeben. ASP sagt nun dazu: „You know, today everyone would be gay. Lorelai would be gay!”
Lorelais Mitarbeiter Michel (Yanic Truesdale) ist eine Figur die wir gleichzeitig lieben und hassen. Keiner zieht so wunderbar verachtend die linke Augenbraue hoch und hat dabei eine so charmante, nicht vorhandene Arbeitsmoral wie unser Franzose. Doch die Darstellung von ihm? Klischees Klischees Klischees. Französisch, schwul und liebt Céline Dion. Doch wenn eine Show nur einen einzigen (vermeintlich) schwulen Charakter hat und dessen Sexualität nicht einmal thematisiert wird, ist das ziemlich fragwürdig. Vor allem vor dem Hintergrund der großen queeren Fangemeinde der Show.
In dem 2016 erschienenen Spin Off bestätigen sie schließlich seine Sexualität, aber das war’s dann auch. Sein Ehemann wird nur einmalig erwähnt. Gilmore Girls hatten die Gelegenheit, mit Michel einen komplexen, vielfältigen schwulen Charakter zu präsentieren. Stattdessen halten sie ihn im closet und überziehen seinen Dialog mit Klischees. So spielt seine Geschichte nach den Kaffee-Problemen von Lorelai und Rory wie üblich nur die zweite Rolle.
Stars Hollow soll wohl eine typisch amerikanische, homogene Vorstadtgemeinde repräsentieren: White people, die alt-eingebürgerten Traditionen nachgehen, wie andere einer Religion. Wenn das der Serienauftrag war, war dieser 10/10 erfolgreich: Eine einzige farbige Person in acht Staffeln… In Zeiten von diversity & co ist das eine unmögliche Vorstellung.
Die immer nette Rory (Alexis Bledel) vergleicht in einem ihrer Artikel für die Yale Daily News eine Ballerina mit einem Elefanten und kommt damit ganz einfach weg. Es wird sogar als humorvoll und ehrlich hervorgehoben. Der Fakt, dass benannte Frau keineswegs dick ist, wird vollkommen außer Acht gelassen und widerspricht jeglicher Vorstellung von Body positivity.
Ein weiteres Beispiel für den Fatshaming-Aspekt ist in den neuen Folgen „A Year In The Life” zu finden: Lorelai und Rory sitzen am Pool und es laufen zwei etwas korpulente Männer vorbei. Lorelais Kommentar? „Belly Alarm!” Rory mischt sich mit „Holy Moly” ein, als hätte sie noch nie in ihrem Leben ein paar Bäuche gesehen. In dieser kurzen Szene wurden Rory und Lorelai von dem absoluten Lieblings-Mutter-Tochter-Duo zu dem schlimmsten Albtraum am Pool.
QUESTIONABLE MOMENTS IN THE LIFE OF GILMORE GIRLS
Autor: Lena Pfeiffer