Der Juni ist vorüber und mit ihm ging auch der diesjährige Pride-Month zu Ende. Hierzulande gipfelte die Bewegung wie jedes Jahr in Form der Wiener Regenbogenparade am 19. Juni, an dem zehntausende Teilnehmer:innen den Ring entlang durch die Stadt zogen und ein Zeichen für eine tolerantere Gesellschaft setzten. Auch in anderen Städten wie München, Madrid, Rom, oder auch in Graz und Linz gingen die Menschen in den vergangenen Wochen auf die Straßen, um sich selbst und die Vielfalt aller sexuellen Orientierungen, Geschlechter und Identitäten zu feiern. Auch viele Unternehmen zeigen sich solidarisch mit der LGBTQIA+ Community, indem sie die Farben des Regenbogens auf deren Social-Media-Kanälen erstrahlen lassen. Doch warum das Ganze? Was für uns selbstverständlich ist und von enormer Bedeutung ist, stößt bei manchen – meist außenstehenden Personen ohne Kontakt zur Community – auf Unverständnis. Wir helfen nach, über den Tellerrand zu blicken und fassen anhand von 5 gegenwärtigen Beispielen zusammen, warum der Pride-Month heute wichtiger denn je ist.
Ungarns Anti-LGBTQIA+ Gesetz
Unser Nachbarland hat im Juni ein äußerst umstrittenes Gesetz verabschiedet, das die Information und Darstellung von LGBTQIA+ Inhalten verbietet. Als “Gesetz zum Schutze der Kinder” getarnt, setzt es Homosexualität und Transidentität auf eine Stufe mit Pädophilie und es werden explizit Darstellungen verboten, in denen gleichgeschlechtliche oder transidente Inhalte vorkommen. In weiterer Folge wird die Aufklärung stark eingeschränkt und die Rechte und Freiheiten queerer ungarischer Staatsbürger:innen massiv eingeschränkt. Dies ist nur der Gipfel einer homo- und transfeindlichen Ideologie, die seit Jahren in Ungarns Regierung unter Ministerpräsident Viktor Orbán für diskriminierende Gesetzesbeschlüsse sorgt. (Quelle: Kurier).
Der Tod von Samuel Luiz
Am 3. Juli wurde der erst 24 jährige Samuel Luiz in der nordwestspanischen Stadt A Coruña Opfer eines grausamen Hassverbrechens. Nach einem Discobesuch wurde der junge Mann laut Zeugenaussagen homophob beschimpft und von einer Gruppe Männern – mutmaßlich 12 Personen – brutal zusammengeschlagen und so schwer verletzt, dass er in weiterer Folge im naheliegenden Krankenhaus seinen Verletzungen erlag. Sein Tod löste eine Welle der Entrüstung und Proteste aus und sorgte über die Grenzen Spaniens hinaus für Fassungslosigkeit und Demonstrationen unter dem Motto #JusticiaParaSamuel. (Quelle: Der Standard).
Die brennenden Regenbögen von Tiflis
Es hätte ein Zeichen für den Frieden in Georgiens Hauptstadt Tiflis werden sollen – doch der von LGBTQIA+ Aktivisten organisierte “Marsch der Würde” wurde grausam beendet. Ein gewalttätiger Mob aus Gegendemonstrant:innen stürmte das Büro queerer Organisationen, verwüsteten die Räumlichkeiten und verbrannten unter lautem Beifall der Menschenmassen die Regenbogenfahnen. Sicherheitskräfte schritten nicht ein, da zuvor bereits vom Kirchenoberhaupt Georgiens zu Gegendemonstrationen aufgerufen wurde – schließlich wird in Georgien seitens der Kirche Homo- , Bisexualität und Transidentität nach wie vor als “Anomalie und Krankheit” bezeichnet. (Quelle: FAZ)
Tränengas und Gummigeschosse als Pride-Begleiter
Bereits im Vorfeld wurde die Istanbul Pride von den Behörden untersagt – dennoch kamen viele Demonstrant:innen zusammen, um angesichts der düsteren Gesetzeslage für queere Personen in der Türkei ein friedliches Zeichen zu setzen. Doch die Demonstration wurde von der Polizei gewaltsam aufgelöst, und es wurden neben Tränengas auch Gummigeschosse eingesetzt um die Menschen auseinander zu treiben. Örtliche Medien berichteten von über 25 Festnahmen von Teilnehmer:innen, die zum Teil stundenlang festgehalten wurden. (Quelle: Zeit)
Die UEFA und das Regenbogenstadion
Mit dem Finale zwischen England und Italien ging gestern die Fußball-Europameisterschaft zu Ende. Während die Italiener sportlich überzeugten und den Pokal stemmten, sorgte die UEFA als Veranstalter für reichlich negative Schlagzeilen während des Turniers. So wurde bereits im Vorfeld des Vorrundenspiels zwischen Deutschland und Ungarn am 23.6. verkündet, dass die Stadt München als Austragungsort die Fassade der Allianz Arena während des Spiels in Regenbogenfarben erstrahlen lassen wolle – als Zeichen der Solidarität mit der LGBTQIA+ Community und als Signal an die Queerfeindlichkeit der ungarischen Rückschritts-Politik. Dem Vorhaben wurde schnell ein Riegel von der UEFA vorgeschoben und die Aktion verboten. Somit schaffte es die UEFA nicht, ein wichtiges Zeichen für Menschenrechte zu setzen – wenn es doch angesichts des geplanten Besuchs von Ungarns Ministerpräsident Viktor Orbán von großer Relevanz gewesen wäre. Auch sämtliche Pro-LGBTQIA+ Kampagnen und Tweets seitens der UEFA aus der Vergangenheit (“Equal Game”) verlieren dadurch sehr stark an Bedeutung und wirken nahezu heuchlerisch. (Quelle: Süddeutsche Zeitung)
Dies sind Vorfälle, die sich allesamt in den letzten vier Wochen ereignet haben und sind sinnbildlich dafür, welch weiter Weg noch zu gehen ist. Auch wenn es sich in diesem Fall um internationale Beispiele handelt, haben wir auch in Österreich leider des Öfteren homophobe und transfeindliche Attacken – beispielweise das “No-Pridemonth”-Banner auf der Wiener Regenbogenparade. Zudem gibt es hierzulande nach wie vor keine gesetzliche Verankerung des vollständigen Schutzes vor Diskriminierung außerhalb des Arbeitsplatzes. So ist es im Moment noch möglich, dass queere Personen aufgrund ihrer sexuellen Orientierung oder Geschlechtsidentität aus Wohnungen, Lokalen oder aus dem Taxi geworfen werden.
Deshalb dürfen wir nicht vergessen, wofür der Pride Month steht – und wofür Queers und Straight Allys auf jeder Regenbogenparade, an jedem Christopher Street Day und auf jedem Pride-Event kämpfen. Wir schließen uns unseren queeren Pionier:innen an und gedenken den Stonewall-Aufständen, in denen die Wurzeln der Pride liegen. Wir setzen ein Zeichen für eine offene und tolerantere Gesellschaft. Wir feiern die Diversität der Geschlechter und Geschlechtsidentitäten, die Vielfalt der sexuellen Orientierung und dass wir so sein und leben dürfen, wie wir sind.
STAY PROUD.
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