Zeitgeist

Bier statt Blumen bitte! – Wo ist unsere Romantik hin?

Alle wünschen sich Romantik: Ein romantisches Date im Kerzenschein mit lauter Rosenblättern und melancholischer Musik – und Blümchensex bei ausgeschaltetem Licht unter der Bettdecke. Ich gehe mich mal eben übergeben. Nein, ernsthaft: Romantik kann manchmal ganz schön sein. Kann eigentlich auch immer ganz schön sein. Sowas Verträumtes, Spielerisches! Und es gibt es ja weniger Übelkeit erregende Romantik als die bereits genannte. Irgendwie hat sich da so ein rosarotes, nach zu viel Parfum riechendes Bild in unseren Köpfen eingebrannt.

Ich halte das für grundlegend falsch. Generell bin ich der Meinung, dass Romantik überhaupt nichts mit Kitsch zu tun haben muss. Und erst Recht nichts mit Rosen. Es muss nicht händchenhaltend der Sonnenuntergang im Liegestuhl am schneeweißen Sandstrand sein. Und auch nicht Spaghetti bei Geigenmusik. Es kann auch gerne betrunkenes Rumgeknutsche in irgendeiner dreckigen Straßenecke sein – man sollte sich von dem Wort bloß nicht abschrecken lassen.

Bier kann zum Beispiel ziemlich romantisch sein. Das kommt immer auf den Kontext an: Als mir mal jemand ungefragt ein Bier mitgebracht hat, fand ich das ziemlich romantisch. Ich hatte in dem Moment das Gefühl, dass der andere Mensch sich Gedanken gemacht hat, dass er versucht hat, mir etwas mitzubringen, das mir gefällt, das zu mir passt. Bier statt Blumen.

Ein anderes Problem, das sich immer mal wieder stellt: Druck. Partner können einen manchmal ganz schön unter Druck setzen, wenn es um Romantik geht – „Boa, bist du unromantisch!“ Man bekommt dann schnell das Gefühl, man müsse jetzt irgendwas unheimlich romantisch-großartig-atemberaubendes machen, das unserem Partner so richtig aus den Socken haut. Kreativität unter Druck – sowas geht nur selten gut. Und dann wird es eben doch der süßliche Brei, der irgendwie verdaut schmeckt. Vielleicht sollten wir das überdenken und versuchen, unseren Partner nicht unter Druck zu setzen?

Was ist Romantik also? Vielleicht ist es, wenn man das Gefühl hat, dass sich unser Gegenüber gerade besonders viel Mühe gibt, sich etwas besonderes für uns ausgedacht hat, dass wir etwas besonderes sind. Also, ihr verkappten Romantiker: Mehr Wut! Weg vom Rote-Rosen-Denken, weg vom Susi-und-Strolch-Geknutsche. Mehr Bier!


Text: Ole Sielbrecht

Bider: Tom Binder für Ausgabe 43

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