Selten war eine Ausgabe von Prince Charming so skandalumwittert wie die jetzige, die kommenden Donnerstag endet. Zwischen Fatshaming und Rassismusvorwürfen zeigt sich vor allem eines: die Unfähigkeit des Privatsenders, einen zeitgemäßen Traumprinzen zu finden. Eine Kritik.
Krisenjahr für queere Datingshows
Normalerweise sollte eine ideale Staffel von “Prince Charming” wahrscheinlich so aussehen: romantische Dates, ein bisschen Drama unter den Kandidaten und ein charmanter Traummann (dem Titel entsprechend) mit leicht mysteriös-märchenhafter Aura. Well, die vierte Staffel der schwulen Datingshow ging, gelinde gesagt, in eine andere Richtung. Nachdem schon das lesbische Pendant rund um “Princess Charming” Hanna Sökeland wegen fragwürdiger Kommentare und übergriffigen Verhaltens große Kritik erfahren hatte, scheint nun auch die schwule Variante in jene Stapfen treten zu wollen.
Ein Traum schlafloser Nächte
Wer die Show nicht kennt, nicht schlimm. Das Konzept ist an die Hetero-Reality-Schmonzette “Der Bachelor” angelehnt. Ein Traumprinz versucht in einer Urlaubsvilla voller beziehungsfreudiger Singles durch Einzel- und Gruppendates seine bessere Hälfte zu finden – dabei verteilt er statt Rosen allerdings Krawatten. Der glückliche Schlipsüberreicher, bereits das vierte Mitglied im erlesenen Kreis des schwulen Liebesadels, ist dieses Jahr Fabian Fuchs: der 33-Jährige ist “Manager eines Internetunternehmens”, lebt in Berlin und ist (natürlich) weiß und trainiert – anders darf ein “Prince Charming” auch gar nicht vor die Reality-Kamera von RTL treten. Was aber alle bisherigen Datingroyals vereint hat, war eine gewisse Prise Charme und Distanz, die den Hauptprotagonisten stets mit zumindest irgendeiner Art Anmut umgaben. Das sind immerhin die Grundanforderung an jeden Märchenprinzen mit Sympathieambitionen. Fabian Fuchs ist aber verglichen dazu eher der Typ aktiver Twink-Aufreißer auf Grindr.
No Charme, No Sense, No Diversity
Denn mit dieser App begann schon das ganze Drama (wie meist in der schwulen Datingwelt) und das obwohl die Staffel noch gar nicht angefangen hatte. Kaum war verkündet, wessen Herz die Kandidaten erobern sollten, berichtete ein ehemaliger Arbeitskollege auf TikTok, dass “No Fats, No Fems, No Asians” im ehemaligen Grindr-Profil von Fabian Fuchs gestanden hatte – eine diskriminierende und in der schwulen Welt mittlerweile zum Glück weitesgehend verschmähte Datingregel. Selbst Rapperin Nura ließ sich nicht nehmen, auf Fabian Fuchs’ Instagramprofil so richtig Luft abzulassen, der daraufhin gute zwei Monate offline ging. Gut, früher war früher und Menschen können sich ändern. Blöd war nur, dass der Kandidatencast der TV-Sendung, der überwiegend nach den Vorlieben des Prinzen ausgewählt wird, schließlich so undivers wie nie ist.
Vom Regen in die Traufe
Wer denkt, dass es in der Sendung bestimmt nicht so schlimm sei, der bleibt auch enttäuscht zurück. Zum einen die Dates: welche queere Redaktion würde zulassen, dass bei einem Gruppendate die Beteiligten einen Regenbogen aus Mosaiksteinen an die griechische Küste spachteln müssen, während sie über das Engagement von LGBTQIA+ Aktivist:innen lästern? Auch die obligatorische White Party, bei der tränenreich Briefe ans frühere Ich verlesen werden, zeigt: hier wird Fernsehen von Straights für Straights gemacht. Die Krönung ist schließlich der Prince Charming selbst (pun intended). Sagen wir so: wäre er auch hetero, ginge er locker als patriarchales Fossil durch. Dem einzigen übergewichtigen Kandidaten, der im Flirt fragte, ob er von Fabian Fuchs auch mal bekocht werden würde, entgegnete er: Ja, aber nur gesund. Anschließend regte er sich auf, dass jener nur vom Essen reden würde. Hier und da kommt noch ein Klaps auf den Po dazu oder die schließlich anstrengende Aufgabe, herauszufinden, ob das Einzeldate nur zum “Toyboy” taugt. Die bekannte Dragqueen Miss Ivanka T. stellte im Podcast GAG mit Robin Solf (der Finalist aus Staffel 3) fest: dieser Prinz wäre eigentlich gerne hetero.
Nun, die Staffel ist am Donnerstag vorbei und wir werden auf RTL+ herausfinden, für wen sich Prince Toxic am Ende entscheidet. Welches royale Banner aber schon seit einiger Zeit groß und breit über der Villa auf Rhodos weht, ist eindeutig: die Red Flag.