Wir schreiben das Jahr 2019 und obwohl es noch wahnsinnig viele LGBTQIA-Themen gibt, auf die noch aufmerksam gemacht werden muss und Rechte, für die wir weltweit kämpfen müssen, ist Queerness längst in der Pop-Kultur angekommen. In immer mehr Filmen und Serien gibt es mindestens einen queeren Charakter (obwohl die Darstellung derer oft zu hinterfragen ist) und Taylor Swift singt in ihrem neuen Song „shade never made anybody less gay”. Obwohl Tay Tay hier nur zuzustimmen ist, fragen wir uns doch eines: Wann fängt Appreciation an Appropriation zu werden?
„I LIKE WOMEN AND MEN”
Ob Lil Nas X, Sam Smith, Ariana Grande, Clairo, Brendon Urie oder Willow Smith: Die Liste an Artists, die sich 2019 bisher als queer geouted haben oder bei denen zumindest Anlass zu Spekulation besteht, scheint immer länger zu werden. Durch die jahrelangen Kämpfe der LGBTQIA-Community kommt es endlich zu einer Repräsentation und Sichtbarkeit von queeren Menschen in der Öffentlichkeit, auf die wir immer gewartet haben. Doch wie #relateable sind diese Musiker und Musikerinnen wirklich in ihrer Sexualität und wie sehr jagen sie dem liberalen und queeren Trend der ach so offenen Millennials hinterher? Stichwort: Queerbaiting! Dieses neue Phänomen beschreibt das Ausschlachten der queeren Community für Klicks, Likes, Downloads von Songs und weitere Geldeinnahmequellen.
„QUEEN, QUEEN IS WHAT YOU CAN CALL ME”
Auch bei Stars wie Taylor Swift wird in der Fangemeinde vermutet, dass sie zumindest queer sei, auch wenn das die 29-Jährige nie bestätigt hat. Dass das mit ihrem neuen Song „You Need To Calm Down” zu tun hat, steht außer Frage. Mit der Nummer möchte Tay Tay der Gay-Community in den Mainstream-Medien Platz und Raum geben, auch wenn sie selbst nicht (wirklich?) Teil der Szene ist, sich aber für LGBTQIA-Themen einsetzen kann.
Genau das sollte als Hetero ja auch das Ziel sein: Ein Ally zu sein, ohne sich gleich einen Teil dieser Kultur anzueignen. Klingt gut, ist es aber (vielleicht) nicht immer? Der queere Trend zieht sich seit einiger Zeit durch unsere Gesellschaft und Medien – daran ist erstmal nichts Schlechtes, denn jeder Trend, der die LGBTQIA-Community repräsentiert, bewirkt erstmal Gutes. Doch ist es tatsächlich nur da Schmücken mit dem Queer-Vibe, um auch noch die Gays dieser Welt auf seine Seite zu ziehen oder stehen ernsthafte Aussagen und Aktivismus dahinter?
„I KISSED A GIRL AND I LIKED IT”
Queerbaiting ist wie das Konzert deiner Lieblingsband, auf das du dich seit Monaten freust, aber am Abend der Show stellt sich raus, dass alle Songs nur playback gespielt werden und der Artist eine Stunde lang gelangweilt auf der Bühne rumsteht. Ähnlich: Du freust dich auf Repräsentation queerer Künstler – doch alles ist nur Schein für Marketing Strategien. In der Musik verhält sich das so, dass durch Werke unterschiedliche sexuelle Identitäten gezeigt werden, die oft nicht der Wahrheit entsprechen, oder nur soweit angeteasert werden, dass man neugierig wird und der Artist woke erscheint.
In Wirklichkeit wird aber nur die Gay-Community benutzt, um beispielsweise während der Promophase auf das neue Album aufmerksam zu machen. Das trifft besonders Künstler und Künstlerinnen hart, die seit Jahren genau aufgrund ihrer Sexualität Schwierigkeiten haben, beruflich voranzukommen. Viele, die Queerbaiting betreiben, nutzen den fröhlichen Schein der Diversity für ihre Zwecke aus, ohne die Probleme anzuerkennen, die queere Menschen täglich durchleben müssen. Zudem bedienen sie sich häufig an Stereotypen und Klischees.
Wie weit geht also Queerbaiting in der Musik und wofür werden LGBTQIA-Themen wirklich benutzt, um darauf aufmerksam zu machen? Solange es von Personen kommt, die tatsächlich im weitesten Sinne einen der Buchstaben vertreten, nehmen wir es ihnen noch ab. Also liebe Heteros, haltet es wie Lady Gaga und macht klar, ein straight Ally zu sein, denn dann spricht nichts dagegen, die Gay-Community auf authentische Weise zu zelebrieren und hochleben zu lassen!
Text: Iris Poltsch + Michael Haller