Die Punkszene definiert der anzugtragende Gutbürger seither als bloße Rebellion der jungen Generation: Es wird geschrien, getrunken, getanzt, geprügelt, und viel miteinander geschlafen. Jeder mit jedem, egal wo, egal wann – hauptsache es ist viel Lärm im Spiel. QUEERCORE: HOW TO PUNK A REVOLUTION ist eine Dokumentation von Yony Leyser, die aufräumen möchte mit dem Klischee der homophoben, plumpen Punks: Sie zeigt den Aufstieg der Homocore (oder später auch Queercore) Szene aus den Kreisen des Punkrocks in den 1970ern, und ist auf ihre Art und Weise selbst ein Produkt der Homocore-Bewegung.
Der Werdegang des Homocores – einer Szene, die durch ein gleichnamiges Fanzine in Toronto aus dem Nichts gestampft wurde – wird von Leyser durch Originalaufnahmen, Ausschnitte aus Homocore-Zines und Interviews mit Fanzine Gründer Tom Jenkins oder Künstler*innen wie Bruce LaBruce, Peaches oder Beth Ditto dokumentiert, bis hin zu ihren Auswirkungen auf die heutige Zeit.
Schlichtweg visuell repräsentiert Leysers Film schon das Wort Punk – in seinen neonbunten Bildern, schnellen, harten Schnitten und zerfetzten Animationen sind sich alle Zuschauer*innen bewusst: Das hier ist kein Kaffeekränzchen, sondern der verruchte Club im schnörkellosen Teil der Stadt.
Und diese Kinematographie macht Lust, weiterzuschauen, und am liebsten selbst dabei zu sein – denn im Laufe der Narration stellt sich vor allem eines heraus: Die Queercore Szene war ein Ort, der Leuten ein Zuhause schuf. Ein Ort, an dem es keine Versteckspiele gab, sondern einer, an dem das ausgelebt werden konnte, was schon immer in einem schlummerte – die tragende Komponente dieser Szene war vor allem ein bestimmtes Musikgenre – der Punkrock. Mit provokanten, aber auch liberalisierten Texten kämpften und kämpfen Musiker*innen von Pansy Division über Peaches bis hin zu The Knife noch heute für den Homocore.
Als stellenweise schwierig gestaltet sich die Subjektivität des Films in originaler Punk-Manier: Immer wieder wettern Fotograf und Regisseur Bruce LaBruce (der zuletzt mit seinem Bildband Faggotry für Schlagzeilen sorgte) oder Tom Jenkins gegen die queeren Menschen, die sich in den 1970ern und 80ern an die vorherrschende Gesellschaft anpassen wollen. „The gay community must be destroyed” stellt Bruce LaBruce in Drag fest. Nur Homocore scheint der way of life zu sein – jede Form von Diskussion oder Differenzierung in eine Richtung abseits der Szene bleibt dem Film fern. „Heterosexuality is the opiat of the masses“ – Sprüche wie diese erinnern eher an männerhassende Feminist*innen, als queere Aktivist*innen. „Embrace the things that make you different, embrace the criminality“ ruft Bruce LaBruce im Interview auf, und regt so zum Stirnrunzeln im Kinosaal an – müssen queere Menschen sich jetzt selbst wieder an den Rand der Gesellschaft rücken, ab in die Illegalität? Sollte nicht gerade die queere Community so offen sein, dass sie auch konservative Strömungen akzeptiert? Fast ist einem nach Schmunzeln zu Mute: Diese Leute sind gerade out of the closet – und jetzt verlangt Bruce LaBruce, dass sich jeder direkt wieder in eine noch engere Schublade zwängt – die des Homocore. Aber vielleicht ist genau das der Kern der Sache: Punk ist Provokant. Punkt.
QUEERCORE: HOW TO PUNK A REVOLUTION ist also ein Dokumentarfilm, der aufräumen will mit den Klischees der Punkszene, aufklären möchte über die Entstehung von Homocore, und der sich vor allem an den Stilmitteln der Szene bedient. Yony Leyser hat mit seinem Film ein weiteres Werk geschaffen, dass sich zur Homocore Szene zählen darf – durch seine Subjektivität, provokanten und expliziten Bilder ist QUEERCORE: HOW TO PUNK A REVOLUTION ein Film, der laut und deutlich ist, dessen Argumentation man nicht immer folgen kann, oder es manchmal auch einfach nicht möchte. Der Film feiert nicht nur Homocore, sondern auch sich selbst – und wird dadurch auch der Punkszene gerecht. Für alle Interessierten gibt es hier den Trailer zu sehen:
Text: Alex Baur
Bilder: Screenshots aus dem Trailer