A Gentlemen’s Journey – Mit dem Eastern & Oriental Express von Bangkok nach Singapur
Durch Südostasien mit dem Eastern & Oriental Express und The Leading Hotels of the World
Teil 2 – Mit dem Eastern & Oriental Express von Bangkok nach Singapur
Wer der Hektik unserer immer schneller werdenden Zeit entkommen und sich auf luxuriöse und stilvolle Art entschleunigen will, dem sei der Eastern & Oriental Express empfohlen: Dieser Zug steht, nach dem großen Vorbild des berühmten Venice Simplon-Orient-Express, für eine fast schon vergessene Eleganz und Romantik des Reisens durch faszinierende exotische Landschaften entlang der Küste Südostasiens.
1. Tag: Abfahrt Bangkok
Der Eastern & Oriental Express fährt am frühen Abend um ca. 18:00 Uhr in Bangkok (Hualampong Station) ab. Zum Check-in finden wir uns bereits ca. 2 Stunden vorher in der „tiefgekühlten“ Lounge am Bahnhof ein. Zu unserer Verwunderung befindet sich diese nicht am selben Bahnsteig wie der Zug, sondern am anderen Ende des Bahnhofes. Dort werden Getränke und kleine Imbisse kredenzt. Auch wenn der Dresscode an Bord des Zuges Shorts und Sneakers verpönt, so erscheinen die meisten Reisenden zum Check-in doch eher in dieser Aufmachung – kein Wunder, Bangkok ist schwül & heiß, besonders für Europäer, sodass es schwer fällt, bereits jetzt in langen Hosen herumzulaufen. Später werden wir aber feststellen, dass sich die Passagiere, besonders abends, an den Dresscode (smart casual untertags, black tie oder zumindest Sakko und Krawatte abends) halten werden.
Es ist spannend zu beobachten, wer unsere Mitreisenden sind. Wie wir von Valentin (Zug Manager) erfahren, kommen sie aus allen Teilen der Welt: Australien, Asien, Afrika und Europa. Es gibt zwei Gruppen von Reisenden: Gäste, für die der Preis keine Rolle spielt, aber auch Zugenthusiasten, die lange auf diese Reise gespart haben. Das Alter liegt bei 50 plus, wir treffen aber auch jüngere Mitreisende wie Niko. Er ist Anfang 20, kommt aus Deutschland und ist als Rucksacktourist gerade auf einer 8 monatigen Weltreise. Für seinen Vater ist das eine willkommene Gelegenheit, seinen Sohn zu treffen und mit ihm ein paar schöne Tage zu verbringen. Für Niko ist es ein spannendes Kontrastprogramm zum bescheidenen Tramper-Alltag.
Valentin erzählt, dass das Personal für den Zug eigens geschult wurde und jeder in gewisser Weise eine Rolle spielet. Auf ihre freundliche, aufmerksame und zuvorkommende Art trägt die Crew an Bord des Zuges zur perfekten Inszenierung der Reise bei.
Niko nach der Reise am Dach des Marina Bay Sands
Beim Check-in erklärt uns der Steward das Procedere des Mittag- und Abendessens: nämlich, dass man jedes mal woanders platziert wird – so sollen sich die Gäste untereinander besser kennenlernen.
Wir besteigen schließlich den Zug und beziehen unsere Pullmann-Kabine. Es sollten hier möglichst nur Handgepäck und Anzughänger mitgebracht werden, weil es sonst zu eng werden könnte – der Rest ist bereits beim Check-in für die Lagerung im Gepäckraum abzugeben, ohne Zugriff während der Reise darauf. Es gibt 3 Kabinen Kategorien: Pullmann, State und Presidential. Pullman ist, vom Platz her, eher für Alleinreisende wirklich komfortabel, zu zweit kann es da schon etwas eng werden – wir würden für mehr Platz zu zweit zumindest die Kategorie State empfehlen.
Der Zug setzt sich in Bewegung – wir sind neugierig und beschließen, diesen sofort zu inspizieren. Es wackelt bei der Fahrt ganz schön – es ist eine Herausforderung, sich im Gleichgewicht zu halten. Über enge holzgetäfelte Gänge passieren wir die gemütliche Piano Bar, zwei eindrucksvolle Speisesalons, die gediegene Bibliothek und erreichen schließlich den Barwagen mit Aussichtsplattform („Observation Car“) – ein Freiluftteil am hinteren Ende des Waggons.
Barwagen mit Aussichtsplattform („Observation Car“)
Im Barwagen erfrischen wir uns mit einem Glas Champagner, während der Zug Bangkok verlässt und auf das offene Land hinausfährt. Wir lassen die hektische Großstadt hinter uns und tauchen in das besondere Flair längst vergangenen Tage ein. Man kommt sofort mit den Mitreisenden ins Gespräch: Small Talk mit einem Paar aus Südafrika. Sie erzählen uns von ihrer letzten Reise – einer Luxuskreuzfahrt in Nordeuropa und geben uns interessante Reisetipps aus ihrem Heimatland.
Nun heißt es, sich für das nahende Dinner in Schale zu werfen. Wir begeben uns in die Mitte des Zuges in einen der Speisewagons. An unserem ersten Abend werden wir an einem 2er-Tisch platziert. Es gibt ein 4gängiges Menü. Es ist erstaunlich, was der französische Küchenchef in diesen beengten Verhältnissen auf die Teller zu zaubern versteht – einfach köstlich!
Abendessen – Nachspeise
Anschließend nehmen wir in der Piano Bar noch einen Schlummertrunk ein. Hier spielt der Barpianist gerne auf Wunsch das eine oder andere Lied – sein Repertoire erscheint unerschöpflich, es gibt kaum ein Lied, das er nicht zu spielen weiß.
Piano Bar
Wir kehren schließlich in unsere Kabine zurück, welche unser Steward mittlerweile in ein behagliches Schlafzimmer verwandelt hat und schlafen bald ein. Der Schlaf ist etwas unruhig in der ersten Nacht, da das Geräusch der Klimaanlage gewöhnungsbedürftig ist. Doch zum Glück gibt es Ohrenstöpsel.
Kategorie: State
2. Tag: River Kwai – Kanchanaburi
Der heutige Ausflug beginnt bereits um 8:30 Uhr. Das bedeutet, früh aufzustehen – immerhin wollen wir ja vorher noch frühstücken. Das Frühstück wird von unserem aufmerksamen Steward, der uns die ganze Reise über betreuen wird, ins Abteil serviert. Wie viele weitere Mitarbeiter arbeitet auch er schon von Anfang an (22 Jahre) für den Eastern & Oriental Express. Nach dem Frühstück brechen wir auf zur legendären Brücke am Kwai. Wir unternehmen einen Bootsausflug auf dem Fluss und besuchen anschließend das Thailand-Burma Railway Centre. Die bedrückende Geschichte dieses Streckenbaus wird dort in einer Ausstellung präsentiert. Die Bauarbeiten wurden 1942/43 von einer großen Zahl von Kriegsgefangenen und Zwangsarbeitern unter menschenverachtenden, vielfach zum Tode führenden Bedingungen durchgeführt.
Friedhof gegenüber des Thailand-Burma Railway Centre
Auch das ist die Realität: Nach diesem Ausflug, zurück im Zug, versuchen wir dennoch, trotz dieser gerade eben stattgefundenen Konfrontation mit menschlichem Elend und Barbarei, das Mittagessen zu genießen, während sich der Eastern & Oriental Express wieder in Bewegung setzt.
Beim Abendessen gibt es diesmal eine kleine Überraschung: Wir werden an einem Vierertisch platziert, diesmal gemeinsam mit einem Paar aus Deutschland. Die Crew erscheint plötzlich „Happy Birthday“ singend an unserem Tisch und überreicht unserem deutschen Tischgesellen eine Geburtstagstorte. Er feiert heute seinen 50er. Aus diesem Anlass, so berichtet er später, wurde auch diese Zugreise gebucht.
Schließlich, nach Einsetzen der Dunkelheit finden wir uns wieder in der Piano Bar ein, um in unmittelbarer Nähe des Pianisten Platz zu nehmen.
Wir haben mittlerweile mit einem Paar aus Philadelphia ziemlichen Spaß – Mark und Becky -, ein anderes Paar aus den USA gesellt sich ebenfalls zu uns – wir werfen dem Pianisten Songtitel zu, die er dann auch spielt – schließlich singen wir alle mit. Dem Pianisten wie auch den anderen Mitreisenden ist unsere sexuelle Orientierung anscheinend nicht verborgen geblieben – er spielt plötzlich „Y.M.C.A.“, und als nächster Song wird „It’s raining men“ vorgeschlagen … Wir hätten nicht gedacht, dass wir hier beim Pianisten soviel Spaß haben würden. Wir sind übrigens nicht die einzigen Gays an Board. Da sind noch diese zwei netten älteren Herren aus England.
Wir schlafen diese Nacht dann schon deutlich besser als die Nacht zuvor. Hat das vielleicht auch etwas mit der Anzahl an Gin Tonics zu tun?
3. Tag: Butterworth/George Town/Penang
Der heutige Ausflug wird erst nach dem Mittagessen beginnen. Die Zeit zwischen Frühstück, das wie immer in der Kabine serviert wird, und dem Mittagessen verbringen wir, wie die meisten Reisenden auch, im Aussichtswagen und lassen die atemberaubende Landschaft an uns vorbeiziehen. Natürlich sind nicht die gesamten rund 2000 Kilometer malerisch, wir kommen auch durch industrialisierte Gebiete und an einfachen, ärmlichen Häusern vorbei. Doch die Menschen sind stets freundlich und winken uns zu. Der Zug ist selbstverständlich voll klimatisiert, mit Ausnahme des offenen Aussichtswagens – aber auch hier bringt der Fahrtwind angenehme Abkühlung.
Um 12 Uhr beginnt das Mittagessen, laut Speisekarte eigentlich ein „Brunch“. Wir werden an einem 4er-Tisch platziert, diesmal mit den uns schon aus dem Barwagen bekannten Südafrikanern.
Nach dem Brunch geht es nach Butterworth/George Town/Penang. Gut organisiert fahren wir mit dem Bus von der Zugstation Butterworth nach Penang. Bereits im Bus erörtert uns die witzig und charmante Leiterin des Ausflugs die wichtigsten Fakten über die malaiische Stadt. Wir besichtigen einen Tempel (Khoo Kongsi), spazieren durch die Gassen und nehmen schließlich eine Erfrischung im E&O (Eastern & Oriental) Hotel ein. Dieses schön am Meer gelegene Hotel galt dereinst als „bestes Haus östlich des Suez“ und wurde unter anderem von Schriftstellern wie Hermann Hesse, Rudyard Kipling und William Somerset Maugham gerne besucht.
Khoo Kongsi
Penang E&O Hotel
Anschließend bringt uns der Bus erfrischt zurück zum Zug. Im Abteil wartet auf uns stilgerecht Tee und Kuchen, von unserem Steward liebevoll serviert. Ja, so lässt es sich leben, daran könnte man sich gewöhnen …
Wir verbringen anschließend die Zeit bis zum Dinner auf dem Aussichtswagen, wo man die vorbeiziehende exotische Landschaft genießt – Reisfelder und Dschungel -, erfrischen uns bei einem oder mehreren Drinks im Barwagen, plaudern mit den Mitreisenden. Andere nehmen die Möglichkeit wahr, eine professionelle Fußmassage zu genießen.
Nach dem letzten Abendessen finden wir uns selbstverständlich wieder bei ein paar Drinks in der Piano Bar ein. Beim Smalltalk brennt mir schon lange eine Frage auf der Zunge: Wie lange hat es gedauert, bis Mark dieser Rauschebart gewachsen war? „8 Jahre antwortet mir seine Partnerin Becky aus Philadelphia. Die elegante Dame hat wie ihr Mann langes graues Haar und erzählt uns von ihrer Hippievergangenheit. Sie sind beide Ärzte, er ist allerdings schon in Pension. Wir haben viel Spaß miteinander und am Ende gibt es eine Einladung nach Philadelphia. Es ist an der Zeit, sich von den Mitreisenden zu verabschieden und schlafen zu gehen.
Wir stehen schon sehr früh auf, um die Fahrt durch den Dschungel genießen zu können. Der Sonnenaufgang steht kurz bevor. Es ist dunstig und angenehm kühl. Kleine Nebelschwaden hängen in der Luft. Der Zug schaukelt sanft. Zum monotonen, gleichmäßigen Geräusch des Eastern & Oriental Express dringen gelegentlich exotische Töne aus dem Dschungel an uns heran. Nach und nach gesellen sich weitere Mitreisende zu uns. Gerade ist die Gruppe Franzosen gekommen. Jetzt fällt mir auf, dass wir uns während der gesamten Reise nicht mit ihnen unterhalten haben. Die Zugenthusiasten sind unter sich geblieben.
Nach dem Frühstück heißt es packen und sich für’s Aussteigen bereit machen. Nach Erledigung der Einreiseformalitäten und dem damit zwangsläufig verbundenen gemeinsamen Schlangestehen trennen sich die Wege der Mitreisenden nun endgültig. Man verabschiedet sich ein letztes Mal herzlich – bis man in sein Taxi steigt, um in die City aufzubrechen.
Hier kann man, je nach Temperament, das Erlebnis stilvollen und eleganten Reisens im Stile vergessener Tage fortsetzen (dann empfiehlt es sich, zumindest eine Nacht im berühmten kolonialen Hotel Raffles zu verbringen, wo nicht nur der Singapore Sling erfunden, sondern auch der letzte Tiger Singapurs erschossen wurde) oder aber als Kontrast in eine moderne turbokapitalistische Metropole mit ihren Wolkenkratzern eintauchen (dann empfehlen wir, im Hotel Marina Bay Sands zu nächtigen und vom beeindruckenden Infinity Pool die Skyline der Stadt zu bewundern).
Neuer Botanischer Garte Singapur
Marina Bay
Wie auch immer man die Reise ausklingen lässt – die Zugfahrt im Eastern & Oriental Express mit ihrer großartigen Crew und mit ihren großartigen Gästen wird unvergesslich bleiben.
Hinweis: Es existiert in Singapur ein Strafgesetz gegen homosexuelle Handlungen (bis 2 Jahre Haft), dies wird aber nur selten angewandt. Trotzdem gibt es eine (mehr oder weniger Verborgenen) Szene, die von den Behörden des Stadtstaates geduldet wird.
Text und Bild: Martin Darling
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