Die Biennale in Venedig ist quasi der Eurovision Song Contest der Kunstwelt. Alle zwei Jahre senden über 80 Länder Künstler:innen in die Lagunenstadt, damit diese eine Location mit ihrer Kunst befüllen. Österreich hat dieses Jahr zwei Künstler:innen geschickt, die queerer kaum sein könnten: Jakob Lena Knebl und Ashley Hans Scheirl beschäftigen sich in ihren Werken mit Identitäten – und verwenden dafür alles, was ihnen über den Weg läuft…
Im Süden von Venedig, direkt am Rio dei Giardini, liegt ein kleiner Park mit mehreren Pavillons. Da steht auch ein eher unauffälliger Bungalow, der dem ausstellenden Land Österreich gehört. In U-Form angelegt, trennt ein kurzer Arkadengang den Pavillon in zwei symmetrische Hälften. Was das Publikum der Biennale innen erwartet, könnte kaum in größerem Kontrast zum Erscheinungsbild des schlichten Gebäudes stehen. Denn wenn Ashley Hans Scheirl und Jakob Lena Knebl einladen, treffen Pop Art auf superqueer und Camp.
Hallo, wo bin ich?
Für jene, die sich im Leben eher weniger mit Kunst beschäftigen, dürften die Installationen im diesjährigen Österreich-Pavilon erst einmal irritierend wirken: What the fuck am I looking at? Da schießt ein Panzerrohr aus einem Venushügel heraus Pillen durch die Luft, und Verkehrskegel warnen davor, nicht in eine gelbe Pfütze zu treten. Im nächsten Raum blickt man auf weiße Rohre und eine Space-Landschaft, vor der ein knallgrüner Plastikstuhl steht, aus dem wiederum eine Figur mit roter Pony-Frisur ragt, die die Lehne zwischen ihren Brüsten hält – natürlich.
Hallo, wer bin ich?
Let’s get into it! Was auf den ersten Blick weird erscheint, kann auf den zweiten eine ganz neue Welt eröffnen. Ashley Hans Scheirl hat die erste Installation eingerichtet. Ashleys Kunst ist stark vom Trans-Sein geprägt. “Es geht um Identitätssuche und das Basteln an sich selbst”, so Ashley. Körperliche Veränderungen zeigen sich an jeder Ecke im Raum: Tabletten, die auf eine Hormontherapie hindeuten, eine übergroße feminine Frisur, ein Mund, ein Paar Augen – aber alles voneinander getrennt. Bei Jakob Lena Knebl hingegen sind die Körper neu zusammengesetzt und in eine spacige 70er-Jahre-Nostalgie eingepflegt.
Ein schwuler Vordenker
Der Titel bringt beide Räume wieder zusammen. Um Soft Machine and Her Angry Body Parts besser zu verstehen, sollte man William S. Burroughs Roman ein wenig kennen. Der Amerikaner hat in den 1930er Jahren in Wien studiert und seine Homosexualität dort erst so richtig ausleben können. In Soft Machine, das übrigens in den Wiener Stadtbibliotheken zu finden ist, hinterfragt er, wie Kontrollmechanismen auf die Körper von Menschen einwirken. Es geht um einen zeitreisenden Geheimagenten mit besonderer Fähigkeit: Er kann seinen Körper verändern und anpassen. Und ganz ehrlich – wollen wir das nicht alle an einem gewissen Punkt in unserem Leben?
CREDITS
Editor
Konstantin Paul | @konstantinfranzfriedrich
Photos
Christian Benesch
Georg Petermichl