“Tatsächlich meine Ex-Freundin hat mir daraus auch einen Vorwurf gemacht, so nach dem Motto, ich würde es mir einfach machen. Quasi könnte in der heteronormativen Welt so mitmischen. Aber es ist überhaupt nicht einfacher. Es ist wesentlich komplizierter. Es ist einfacher, in einer klaren Kategorie zu sein. Es ist viel schwieriger zwischen allen Stühlen zu sitzen.“
Full Disclosure: Ich selbst habe mir, bevor das Thema in der Redaktion angesprochen wurde, auch nicht allzu viele Gedanken um Bisexualität gemacht. Meine Annahme war deshalb auch, dass es nicht wirklich ein Stigma gegenüber dem Thema gäbe. Und fühlte mich ertappt als ich im Interview auf Deutschlandfunk Kultur las, dass es ein unfairer Vorwurf sein zu behaupten Bisexualitat sei einfacher. Und auch als ich in meinem großteils homosexuellen Freundeskreis das Thema ansprach, traf ich auf viel Unwissen. Das schockierte mich schon etwas und ich machte mir ein paar Gedanken…
“Es gibt ganz oft die Annahme, dass Leute, die wirklich und authentisch bisexuell sind, eben auch nicht-monogam leben müssten. Weil um sozusagen das Begehren für mehrere Geschlechter auszudrücken, würde eine nicht-monogame oder promiscue Lebensweise nahelegen und Menschen, die sich als Bisexuell identifizieren werden oft nicht ernst genommen. Manche Leute gehen sogar so weit in Frage zu stellen, dass es so etwas wie Bisexualität überhaupt gibt. Daraus folgernd wird Bisexualität als eine Phase gesehen, als etwas, was vielleicht unreifen oder jugendlichen Menschen zugestanden wird, die dabei sind ihre Sexualität zu finden.”
Christian Klesse, Lektor in Cultural Studies an der Manchester Metropolitan University
“Ganz oft werden diese Figuren ausschließlich dargestellt, weil sie bisexuell sind. Die haben also gar keine anderen Eigenschaften, außer bi zu sein. Meistens sind sie in so Dreiecksbeziehungen unterwegs und sie stehen ganz oft für Figuren, die irgendwie deviant sind, ja, sie sind böse oder psychopathisch. Meistens sind die bösen Figuren, die Antagonisten, irgendwie bisexuell oder vor allem bei Frauen eher so hysterisch, kann sich nicht entscheiden. Hat irgendwelche psychischen Probleme. Also Bisexualität ist gleich irgendwie Problemcharakter.”
Beatrice Behn, Film Curator bei Deutschlandradio Kultur
Das sind zum Teil Annahmen, welche die LGBTQIA+ Community vermeintlich schon längst hinter sich gelassen hat. Bisexuelle sehen sich großen Minderheitenstress ausgesetzt: Sie sind innerhalb der Lesben- und Schwulen Community nicht gerade willkommen und wenn sie sich unter Heterosexuellen bewegen, versuchen sie es zu verbergen, weil sie sich keinen Vorurteilen aussetzen wollen. Stattdessen tragen sie in sich das Gefühl anders zu sein. Deswegen haben bisexuelle Menschen häufiger mentale Probleme. In Großbritannien häufiger als Hetero- oder Homosexuelle.
Indiana, USA. 1948. Sexualforscher Alfred Charles Kinsey legt den ersten Teil des bis dahin umfassendsten Werkes über die Sexualität des Menschen vor. Er stellt fest, dass Männer nicht zwei getrennte Populationen darstellen. Also eine hetero- und eine homosexuelle. Kinsey führt 11.000 Interviews zu den Neigungen seiner Probanden. Die Befunde stellt er in der Kinsey-Skala dar. Null bedeutet: ausschließlich heterosexuell, sechs ausschließlich homosexuell.
“Es gibt hier ein “Dazwischen”, was für bisexuelle Leute unvorstellbar nützlich ist, weil es sagt, dass viele Menschen bisexuell sind, egal ob sie das auch ausdrücken oder nicht.”
Surya Monro, Aktivistin und Direktor am Centre for Research in the Social Sciences an der University of Huddersfield
Kinsey meint: 90 bis 95 Prozent der Bevölkerung sind bis zu einem gewissen Grad bisexuell. Ohne aber, dass all diese Menschen das ausleben würden. Bei seinen Untersuchungen spielten auch die Fantasien der Menschen eine Rolle.
“Wenn man fragen möchte, wie relevant der Kinsey Report heute ist, dann kann ich sagen: er ist relevant! Es gab kürzlich eine neue Studie, die herausgefunden hat, dass 23 Prozent der Briten, nach ihrer Sexualität befragt, angaben, nicht zu einhundert Prozent heterosexuell zu sein. Unter den 18- bis 24-Jährigen waren dass 49 Prozent, die nicht komplett heterosexuell sind. Das sind wirklich viele. Aber die Meisten von ihnen würden sich nicht als bisexuell begreifen. Sie identifizieren sich als hetero oder sie wollen es erst gar nicht benennen. Da sind Leute, die sagen: ich bin einfach ich. Ich muss mich gar nicht identifizieren. Warum sollte ich?”
Surya Monro
In meiner Recherche stieß ich auch auf diverse Listen von Stars die sich als Bisexuell identifizieren, hier meine Faves:Billie Joe Armstrong (Green Day), Angelina Jolie, Drew Barrymore, David Bowie, Kesha und last but not least Lady Gaga
“I think people are born bisexual and then make subconscious choices based on the pressures of society. I have no question in my mind about being bisexual.”
Megan Fox
Mein Fazit daraus? Kommunikation. Gerade heutzutage, in der zweiten Welle der “sexual Liberation” sollte man stigma in die Geschichte verbannen. Und sich auch mehr für das “B” in LGBTQIA+ kümmern.
Text: Rob Seekirchner, Freitag
Quelle: deutschlandfunkkultur.de