Prof. Max Morris der Durham Universität will in einer neuen Studie, in der er 40 schwule Männer an vier britischen Universitäten befragt hat, herausgefunden haben, dass Homosexualität in akzeptierenden, post-gay Umfeldern eine Form von Privileg darstellen kann. Er nennt dieses Konzept schwules Kapital.
Die Probanden, die an Universitäten studieren, welche als besonders akzeptierend und offen gelten, befinden sich laut Morris in einem sozialen Umfeld, das von geringer Homophobie geprägt sei. Den schwulen Männern war es der Studie nach also möglich, enge Freundschaften nicht nur mit queeren, sondern auch heterosexuellen Menschen zu führen. Anhand dieser sozialen Rahmenbedingungen stellt Morris fest, dass die Sexualität der schwulen Probanden als Merkmal und Privileg angesehen werden kann, welches ihr heteronormatives Umfeld nicht hat.
“Anstatt für ihre Sexualität ausgeschlossen oder schikaniert zu werden, wurden die Probanden in meiner Studie für ihre Homosexualität akzeptiert und sogar zelebriert. Diese Form der Anerkennung kann als eine Form von sozialem Privileg gesehen werden.” – Prof. Max Morris
Meint Prof. Morris damit etwa die 15 jährigen Mädchen, die unbedingt einen schwulen besten Freund möchten, weil die ja so guten Sinn für Mode haben?
Morris möchte mit dieser Studie gegen das vorherrschende Bild von queeren Teenagern, die mit Stigmatisierung, Homophobie und allgemeinen Angriffen auf ihre Sexualität zu kämpfen haben, argumentieren.
Das Thema wird jedoch von Morris zu isoliert betrachtet: Schwules Privileg ist ein Konzept, dass in unserer Gesellschaft nur selten auch genau so existiert. Anhand von nur 40 Probanden das Konzept von schwulem Kapital zu erstellen, ist ein Fehlversuch und wägt die Leser in falscher Sicherheit. Es gibt kein schwules Privileg und auch kein schwules Kapital.
Schwul zu sein bedeutet von Kindheit an, anders zu sein. Sich selbst, seine Bedürfnisse und Charaktereigenschaften in Frage zu stellen, zu versuchen, sich zu verstellen, und oftmals auch gegen sich selbst anzukämpfen.
Es ist wunderbar, dass es soziale Umfelder gibt, in denen Homosexualität nicht mehr als Alleinstellungsmerkmal gesehen wird. Dennoch befinden sich queere Menschen nicht ausschließlich in diesen Umfeldern. Selbst wenn man als nicht heterosexueller Mensch Freunde hat, die einen akzeptieren, ist man nie vor der Meinung und den Handlungen anderer geschützt. In gewissen sozialen Umkreisen, ist schon die post-gay Ära angebrochen, aber kein Mensch kann in einer Seifenblase leben.
Homosexualität als Privileg oder Kapital zu beschreiben, verfehlt vollkommen das Ziel, dass in unserer Gesellschaft erreicht werden muss: Denn queer zu sein, ist kein Merkmal, dass jemanden besser oder schlechter macht.
Text: Alex Baur