Activist Edition

Hat Body Positivity noch eine Chance?

Das große Thema der letzten Jahre: Liebe dich, so wie du bist! Kurven sind schön, aber bitte nur an Frauen. Twinks müssen glattrasiert und möglichst knabenhaft sein, Hunks muskulös, Bears so richtig schön behaart, aber nur an den passenden Stellen. Ein Dad-Bod hat ein kleines Bäuchlein, kein großes. Und wehe, eine Non-Binary-Person passt nicht ins androgyne Schema, das wir uns so schön in unseren Köpfen zurechtgelegt haben. So sehr man sich auch selbst lieben und gerne akzeptieren möchte, so schwierig ist das bisweilen in der Realität. 

Die Eleganz der Schublade

Diverse Social-Media-Plattformen tun ihr Übriges, um Menschen in Kategorien zu pressen. Klar, irgendwo braucht man die Einordnung – sie hilft schließlich bei der besseren Einschätzung des Gegenübers. Jeder Mensch hat ja bestimmte Vorlieben, und nach diesen suchen zu können, beschränkt zwar einerseits die Auswahl, macht das Leben aber auch viel leichter. Programmierer:innen nutzen solche Unterteilungen, um Dating-Apps zu entwickeln. Wenn man sich nun einmal von einem bestimmten Typ angezogen fühlt, dann ist es doch nett, auch nur solche „angeboten“ zu bekommen. Warum sich mit jemanden auseinandersetzen, der nicht ins Schema passt? 

Der stete Tropfen

Bei Body Positivity denkt man in erster Linie an kurvige Frauen, die medial noch am ehesten integriert werden. Alle anderen Körpertypen und Besonderheiten sind absolut unterrepräsentiert. Hier sind natürlich die Werbeindustrie und Social-Media-Plattformen sowie deren Ideen nebst Awareness gefragt. Auch Aktivist:innen und Fürsprecher:innen aus der Influencer-Richtung sind essenziell. Denn was wir oft genug sehen, wird unbewusst über die Zeit hinweg im Hirn und Unterbewusstsein abgespeichert. So kann sich auch das Mindset neu formen, das da heißen sollte: „Es ist auch in Ordnung, anders zu sein, um gesellschaftlich anerkannt zu werden.” Anders kann sich dieses über Jahre und Jahrzehnte angelernte Bewusstsein nicht auflösen, schon gar nicht über Nacht. 

Vom Trend zur Norm

Um mit sich selbst klarzukommen, sind Offenheit, Reflexion und eine Schnauze-voll-von-alten-Mustern-Attitude gefragt. Und dann heißt es: in die Tiefe gehen. Dort kann gearbeitet werden, dort kann die Psyche heilen und dort kann durch intensive Auseinandersetzung mit sich selbst, mit dem Umfeld, den eigenen Glaubenssätzen und Wertesystemen Licht in die Dunkelheit gebracht werden. Nicht umsonst gibt es das Wort „Ausstrahlung“ in unserem Vokabular. Denn die ist tausendmal wichtiger als die Vorgaben der Society. Deshalb ist die Repräsentation aller Körpertypen und -formen so bedeutsam. Magazine, Filme, Werbung – es muss clever nachgebessert werden. Vor allem der natürliche Umgang mit verschiedenen Körperformen sollte selbstverständlich integriert werden. Nicht, weil es Trend ist, sondern weil es normal ist. 

Eine Frage der Einstellung

Im Endeffekt läuft alles auf die Frage hinaus: Wie möchte ich meine kurze Zeit auf Erden verbringen? Will ich mich ständig in stereotype Kategorien pressen lassen oder will ich lieber nach eigenen Wertvorstellungen leben? Immerhin existieren wir heute in einer Zeit, in der Vielfalt präsentiert werden darf und sich niemand mehr wegsperren muss, nur weil er oder sie sich von „der Norm“ und dem Bild, das wir innerhalb der modernen Medienlandschaften bisher eingepflanzt bekommen haben, unterscheidet. Jeder Mensch hat die Möglichkeit, selbst seine:n innere:n Aktivist:in anzuspornen und Aufmerksamkeit zu schaffen. Und sei es nur dadurch, hinaus in die Welt zu gehen, völlig trivial zu sich zu stehen und zu rufen: „Ich bin, wer ich bin, und das ist gut so!“ 

Liebe beruht auf Gegenseitigkeit

Aufklärung muss auf allen Ebenen stattfinden: online, offline und am besten schon im Kindergarten. Wenn das Bewusstsein erst einmal geschaffen ist, folgt das Mindset automatisch. Deshalb liebe deinen Körper so, wie er ist. Liebe deine Hände, sie haben so viele Dinge für dich getragen und gehalten. Liebe deine Beine, sie haben dich zu wundervollen Plätzen gebracht und dich von schlechten wegbewegt. Liebe deine Nase, denn sie kann dir mit einem Duft Erinnerungen zurückbringen. Liebe deinen Mund, er hat vielen Menschen gesagt, wie sehr du sie liebst. Liebe deine Augen, denn sie haben Wunderbares gesehen. Dein Körper war von Tag eins an immer für dich da. Liebe ihn, denn er liebt dich zurück.

CREDITS

Editor
Britta Tess | @brittatess

Photos
Eileen Jordan | @eileenjordan

Model
Joseph Ohlert | @josephwolfgangohlert



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