Pussy Edition

Chapter 3: Identity, Sexuality and Lots of Inbetweenity

It’s all about Wandel: Von der sexuellen Entdeckungsreise zur selbstbestimmten Identitätsfindung, vom Kleingeist hin zum Großstadt-Mind: In der Kunst von Amy Wald kommen Empowerment, sexuelle Freiheit und die Liebe zur Liebe zusammen. Damit steht Amy alles andere als alleine da und verleiht einer jungen, (selbst-)ermächtigten Generation eine Stimme, die ganz laut „WOKE!“ schreit. Wir haben den Artist im Zuge des VANGARDIST-Shoots zur Seite genommen und über gesellschaftliche und nicht-binäre Strukturen, das weniger Gesehen- und Gehört-Werden von Minderheiten und Amys Reise zu sich selbst gesprochen.

Amy, du lebst in einer Beziehung mit einer Frau. Ihr habt euch zu Beginn beide als weiblich definiert. Das hat sich bei dir mit deiner nicht-binären Geschlechtsidentität gewandelt. Was hat das mit eurer Beziehung gemacht?

Nichts, überhaupt nichts. Natürlich ist es ein Geschenk, dass ich eine Partnerin an meiner Seite habe, die keinen Wert darauf legt, wie sich Menschen definieren. In Gesprächen mit ihr habe ich mich nie verurteilt gefühlt. Es war klar, dass ich in dieser Beziehung immer sein kann, wie ich bin oder möchte. Meine Partnerin Vale unterstützt mich nicht nur in allem, sondern bemüht sich täglich, eine genderneutrale Sprache zu wählen. Wenn mal Wörter rausrutschen, die wir alle seit Jahrzehnten antrainiert bekommen haben, weiß ich bei ihr, dass die nicht wertend gemeint sind.

Wie und wann hat sich deine Nicht-Binarität bemerkbar gemacht?

Ich habe festgestellt, dass Begriffe wie „Frau“, „Girl“ oder „Lady“ begonnen haben, sich für meine eigene Definition unangenehm anzufühlen. Außerdem habe ich mich von diesem sozialen Konstrukt um diese Begriffe herum distanziert. Wenn ich an meine Zukunft und an Amy in zehn Jahren denke, dann sehe ich da eine blank person ohne Gender. Ich sehe mich frei von Brüsten oder einer Vagina. Ich mag den Gedanken, dass das Jetzt nicht die Zukunft malt.

 © K I D I Z I N S A N E

Wenn man dich und deine Kunst kennt, merkt man schnell,
dass du eine sehr selbstreflektierende Person bist.
War die Selbstfindung als non-binary ein logischer Schritt deiner Entdeckungsreise?

Ich habe es nicht erwartet und nicht gedacht: Gut, jetzt bin ich mit meiner Sexualität im Reinen und jetzt geht es weiter mit dem Thema Gender. Das kann und sollte man glaube ich nicht vorhersehen. Aber wenn ich rückblickend an die letzten zwei Jahre denke, hätte ich es vielleicht erahnen können, dass es in diese Richtung geht. Ich meine damit nicht zwingend die Nicht-Binarität, sondern die Tatsache, dass ich mir sicher mal über dieses Thema intensiv Gedanken machen würde. Es fühlt sich definitiv so an, als ob es diesen Platz und diese Zeit gebraucht hat.


“Ich bin definitiv noch auf der Suche und ich weiß gar nicht, ob diese Suche jemals aufhören wird.”


Hast du das Gefühl, dass deine Selbstfindung noch weiter geht oder fühlst du dich angekommen?

Ich bin definitiv noch auf der Suche und ich weiß gar nicht, ob diese Suche jemals aufhören wird. Mir geht es jeden Tag anders, zum Beispiel beim banalen Thema Fashion: Wenn ich mir am Vortag Klamotten rauslege, fühle ich mich am nächsten Tag total unwohl damit. Ich brauche da definitiv noch mehr Zeit, dass mein Unterbewusstsein sagt: Don’t fucking care! Es gibt auch Tage, an denen ich meine Haare liebe und welche, an denen ich sie mir am liebsten komplett abrasieren möchte. Es gibt Tage, da möchte ich keine große Oberweite haben und am liebsten zwei BHs übereinander tragen und dann gibt es Momente, wo mir das egal ist.

Man bemerkt, dass die heranwachsende Generation sehr woke mit den Topics Sexualität und Identität umgeht und dass diese Themen immer mehr in der Mitte der Gesellschaft ankommen. Hast du das Gefühl, dass das tatsächlich passiert oder ist das ein Phänomen unserer Bubble?

Grundsätzlich glaube ich, gibt es mehr Bewusstsein für diese Themen, vor allem in den Schulen, da die Kids einfach mit den Sozialen Medien aufwachsen und dadurch auch mit-aufgeklärt werden. TikTok ist zum Beispiel eine Plattform, die eine wahnsinnig große Queerness transportiert. Dadurch steigt die Repräsentation. Die nächste bzw. heranwachsende Generation hat einfach schon alle Informationen und Plattformen, um sich grundsätzlich mit diesen Themen zu befassen und sich darüber auszutauschen.


“Bloß nicht bunt streichen,
da hast du dich ja nach einem halben Jahr
dran sattgesehen!”


Wie lebt es sich als öffentliche Person zwischen Coming-outs, einer Partnerschaft und dem tatsächlichen Erwachsenwerden?

Es gibt Tage, an denen ich da über allem stehe und alles gut verarbeite; und dann gibt es Tage, an denen ich mit allem überfordert bin. Ich muss für ich noch einiges herausfinden, auch bezüglich der Pronomen. Aktuell fühle ich mich mit „they/them“ am wohlsten. Noch wohler aber, wenn Pronomen einfach komplett weggelassen werden. Im Alltag und auf den Sozialen Medien ist das manchmal schwierig.

Stichwort Soziale Medien: Wie dick ist deine Haut?

Aktuell habe ich die dickste Haut, die ich jemals hatte. Ich schaffe es mittlerweile über den Dingen zu stehen, über die ich mir vielleicht vor drei Jahren noch den Kopf zerbrochen hätte. Ich lasse vieles einfach nicht an mich heran, weil ich mich und meine Werte heute besser kenne.

Für viele sind Begriffe, die von heteronormativen Strukturen abweichen, ungewohnt und fremd. Wie würdest du deine Art zu leben und lieben einer anderen Personen erklären?

Ich würde ihnen sagen, dass ich nicht anders lebe und liebe, als alle anderen Menschen. Das einzig andere ist, wie ich mich selbst fühle. Ich liebe vielleicht nur andere Menschen als andere. Das äußert sich aber bei jeder einzelnen Person individuell und das ist das Schöne an der Liebe.


“Ich fühle mich mit Amy nach wie vor wohl, weil ich dabei selbst an kein weibliches Gender denke.”


Hast du schon mal darüber nachgedacht, einen geschlechtslosen Namen zu wählen? 

Ich fühle mich mit Amy nach wie vor wohl, weil ich dabei selbst an kein weibliches Gender denke. Bei anderen werde ich durch meinen Namen aber sofort zu einem weiblich gelesenen Menschen und dadurch mit entsprechenden Pronomen angesprochen. Mein Wunsch wäre es natürlich, dass Namen nicht sofort einem Geschlecht zugeordnet werden.

Bei Dokumenten oder Online-Formularen gibt es meistens nur die Geschlechtsidentität „männlich“ oder „weiblich“ zur Auswahl, wo ich mir denke, dass das nicht nur ärgerlich, sondern auch höchst diskriminierend ist. Wo stößt du im Alltag noch auf Schwierigkeiten?

Ich habe letztens versucht, auf Facebook mein Geschlecht zu ändern. Dort gibt es die Möglichkeit „divers“, man muss aber dann eine Kategorie auswählen, wie zum Beispiel „butch“, „femme“, „female to man“ und einige mehr. Ich finde es total verrückt, dass ich bei „divers“ immer noch eine Kategorie auswählen muss. Auch Toilettengänge sind im Alltag schwierig. Ich gehe zwar nur secondhand shoppen, aber wenn ich mir vorstelle, dass Menschen, die geschlechtlich mit sich nicht oder noch nicht im Reinen sind, in einen regulären Klamottenladen gehen, in dem alles klar nach „männlich“ und „weiblich“ geteilt ist, kann das bestimmt triggernd oder einschüchternd wirken.


“Viele wissen einfach noch nicht, was non-binary bedeutet. Oder trans*. In den Köpfen vieler Menschen
gibt es nur cis Personen.”


Eine dritte Auswahl der Geschlechtsidentität oder geschlechtsneutrale öffentliche Toiletten wären schon mal ein Anfang. Was sollte sich in Zukunft diesbezüglich noch ändern und was wünschst du dir persönlich?

Wir müssen bei der Aufklärung anfangen. Viele wissen einfach noch nicht, was non-binary bedeutet. Oder trans*. In den Köpfen vieler Menschen gibt es nur cis Personen. Um auch Aufklärung und Umdenken bei Personen der älteren Generation auszulösen, benötigt es etwa mediale Präsenz. Es muss aber auch die Bereitschaft da sein, etwas zu lernen, denn nur, weil es in den Medien steht, heißt das noch lange nicht, dass Menschen aufgeklärt werden.

Personen in den Medien wie Cara Delevingne, Sam Smith oder Janelle Monàe halten in der Öffentlichkeit die nicht-binäre Fahne hoch. Gibt es Personen, die dich in Sachen Gender Fluidity prägen oder inspirieren?

Prinzipiell inspirieren mich alle Menschen in meinem Umfeld und am meisten diese, die keinen Wert auf Gender legen. Am stärksten wurde ich aber vom Buch „Just Kids“ von Patti Smith beeinflusst und berührt. Interessanterweise befasst es sich gar nicht explizit mit dem Thema Nicht-Binarität, sondern prinzipiell mit Liebe und Sexualität. In dem Buch gibt es eine Figur, die männlich dargestellt wird. Als ich das Buch fertig gelesen hatte, war diese Person in meinem Kopf aber nicht mehr binär. Diese Thematik wurde nie konkret behandelt, aber es war einfach ein Vibe, den ich von dieser beschriebenen Person vermittelt bekommen habe.

Seit 2019 kann in Österreich „divers“ als dritte Geschlechtsoption unter Voraussetzung eines einschlägigen medizinischen Gutachtens in der Geburtsurkunde nachträglich geändert werden. Denkst du darüber nach, diesen Schritt zu gehen?

Ich denke über alles möglich nach in diese Richtung. Aber erstmal möchte ich mich um mich selbst kümmern und schauen, dass ich verstehe, was in mir passiert., bevor ich rechtliche Schritte vornehme und meine Geburtsurkunde ändere. Es ist aber wahnsinnig wichtig, dass es diese Möglichkeit gibt und es fühlt sich gut an, zu wissen, dass ich es machen kann.

Viele Songs von dir sind sehr persönlich. Planst du auch konkrete Projekte, die sich mit deiner nicht-binären Identität auseinandersetzen?

Ich gehe immer unvoreingenommen in Projekte rein und plane nie konkret etwas. Ich bin mir aber sicher, dass es irgendwo und irgendwie zum Ausdruck kommen wird. Bis jetzt habe ich noch nichts in diese Richtung geschrieben, einfach weil vieles noch so unklar ist. Ich weiß aber, dass es Output geben wird, weil es einfach ein Teil von mir ist.

Amys Musik findest du auch auf Sptify, hör rein!


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