Seit knapp 30 Jahren stellt das Schweizer Modelabel FREITAG aus alten LKW-Planen Taschen und Accessoires her. Die umweltschonenden Designs entdeckt man mittlerweile überall auf der Welt. Bald will das Label noch nachhaltiger werden und entwickelt deshalb ein eigenes, recyclebares Planenmaterial – für die Straße und die Tasche.
Eigentlich ist das FREITAG-Konzept einfaches Upcycling. Taschen und Accessoires aus alten LKW-Planen, die so ein neues Leben finden. Die Betonung liegt auf eigentlich, denn: Anders als konventionelle Brands kann FREITAG nicht einfach neues Material auf Wunsch bestellen, sondern muss mit dem arbeiten, was der Markt hergibt. Und diesen “Markt” an alten LKW-Planen musste sich das Unternehmen erst erschließen.
Zwischen fünf und acht Jahre lang sind die Planen schon auf der Straße, wenn das Modelabel sie den Logistikunternehmen abkauft. Die Schwierigkeit dabei: FREITAG kann nicht einfach rote, pinke oder schwarze Planen bestellen, wenn die Farben gerade im Trend liegen. Vielmehr müssen die Designer:innen mit dem Farbmix arbeiten, der über Europas Straßen fährt und gerade ausgemustert wird.
Das Ergebnis des aufwendigen Sourcing-Prozesses landet dann im Hauptquartier in Zürich-Oerlikon: An meterlangen Tischen werden die LKW-Planen von Hand auf Fehler untersucht und zerlegt. Fast wirkt es so, als wäre man auf einem Großmarkt – nur, dass hier keine Tiere zerlegt werden, sondern die Filetstücke aus riesigem Planenmaterial herausgeschnitten werden.
Schon direkt nach der Filetierung und Reinigung wird das Material nach Farben sortiert, damit die Zuschneider:innen mit einem möglichst breiten Farbmix arbeiten können. Auch das ist besonders beim FREITAG-Upcycling: Hier sind fast alle Arbeitsschritte Teil des Designprozesses. Jedes Mal, wenn eine Plane weiter in kleine Teile zerlegt wird, hat das Auswirkungen auf den Look des Endproduktes. Und so ist auch jede FREITAG-Tasche ein Unikat, schließlich gibt es jeden Planenausschnitt nur ein einziges Mal. Trotz einmaliger Farb- und Musterkombinationen sind vor allem Produkte im All-Black-Look beliebt und oft rasend schnell ausverkauft.
Ob die Gründer so einen Erfolg geahnt hatten, als sie vor rund 30 Jahren die ersten Entwürfe für robuste Taschen im damaligen WG-Wohnzimmer skizzierten? Die Inspiration für das Planenmaterial bekamen die beiden Grafikdesigner Markus und Daniel Freitag damals von den unzähligen LKW, die unweit der Wohnung jeden Tag über die Züricher Hardbrücke brummten.
Mittlerweile sind aus den Entwürfen der ursprünglichen “FREITAG”-Tasche 400.000 Artikel jährlich geworden, die in 29 FREITAG Stores, bei 300 Verkaufspartnern und im Online-Shop verkauft werden. Neben Messenger-Bags, Rucksäcken und Bauchtaschen gibt es inzwischen Handyhüllen aus recycelten Ski-Schuhen und Beutel aus aussortierten Airbags.
Zur Einordnung: Mittlerweile verbraucht das Schweizer Modeunternehmen jedes Jahr 500 Tonnen LKW-Planen, 106.000 Autogurte und 28.000 Fahrradschläuche, 32.000 Quadratmeter an recyceltem PET-Textil und 9700 Quadratmeter an aussortiertem Airbag-Material.
Auch, wenn der Großteil der Materialien komplett recycled ist und das Label versucht, so viel Wasser und Energie wie nur möglich zu sparen, hat sich FREITAG für die nächsten Jahre ein Mammutprojekt vorgenommen. Das Label möchte eine LKW-Plane entwickeln, die selbst wieder recyclebar ist. Sprich: Nachdem die Plane auf Europas Straßen war und danach ein neues Leben als Tasche gefunden hat, soll das Material erneut recycelt werden. Das Ziel ist eine Kreislaufwirtschaft, oder im FREITAG-Ton: “Circular Design”.
Header: Joël Tettamanti