Nach neuen queerfeindlichen Gesetzen in Russland plädiert Vangardist-Redaktionsleiter Konstantin Paul für einen entschlosseneren Kampf gegen Diskriminierung – im eigenen Land und international.
Das x-te Gesetz gegen LGBTQIA+
Gestern hat die Duma, die russische Abgeordnetenkammer, in erster Lesung ein neues Gesetz beschlossen. Ab sofort ist jede Information über LGBTQIA+ Themen verboten, da Queersein eine “nicht-traditionelle sexuelle Beziehung” darstellt. Unter diese Kategorie fällt im übrigen auch Pädophilie, damit jetzt alle in Russland wissen, wie Queersein zu verstehen ist. Um Informationen über Transgeschlechtlichkeit und Nichtbinarität muss man sein Alter mittels Code verifizieren und queere Filme dürfen weder im Kino gezeigt werden noch online gestreamt. Der Verkauf von Büchern mit querem Inhalt ist sowieso verboten. Das Gesetz ist also die absolute Illegalisierung von allem, was nicht cis und hetero ist. Und als ob das nicht reicht: mit obskuren Attributen wird die LGBTQIA+ Community belegt: Sünde (natürlich) und “Dunkelheit”. Der Kampf gegen uns ist nun also ein Kampf gegen Satan selbst.
Die absurde, tödliche Welt der Propaganda
Überraschend ist das nicht. Die politischen Aktionen gegen queere Menschen hier aufzulisten, dauert zu lange und ist auch unnötig. Es war immer allen alles bewusst. Seit 2011 schon wird “LGBT-Propaganda” in Russland bekämpft. Das westliche Europa wurde verächtlich als “Gayropa” verschrien und absurdeste Lügen verbreitet. Geschlechtsangleichungen sind unsere “Leidenschaft”, Herzen von schwulen Männern könnten keine Spenderorgane sein und in Dänemark gäbe es angeblich ein Tierbordell für Menschen, die mal mit einer Schildkröte erotische Stunden erleben wollen. Klingt zu fantastisch, um glaubwürdig zu sein. Aber diese Themen haben seit über zehn Jahren Konjunktur in Russland und sind gefährlich: Auch die Ukraine wurde angeblich vom Westen mit queeren Inhalten “verdorben”, fördere nun Pädophilie und deshalb müsse Russland “einschreiten”. Das ganze ist eine einzige imperialistische Shitshow.
Neue Zeit – Neue Strategien
Auch wir müssen verstehen – und mit “wir” meine ich die gesamte Gesellschaft, als auch uns Queers –, dass wir in einer neuen Epoche leben. Der Ursprung von Queerphobie ist nicht mangelnde Aufklärung. Mit einer schnellen Google-Suche findet man alles zu allen Themen. Der Grund ist ein weltweites Comeback von Faschismus. Wie die Rückkehr von Voldemort nur in real und noch scarier. Antifaschismus muss unsere neue Priorität sein und wir müssen uns überlegen, wie wir ihm entschlossen entgegentreten können. Queerphobe Meinungen sind aber auch bei hiesigen konservativen Parteien en vogue, obwohl sie ein zentraler Bestandteil des modernen Faschismus sind. Das können wir ebenso wenig dulden, wie Rufe nach Friedensgesprächen: worüber sollen wir denn verhandeln? Sollen queere Menschen in annektierten Gebieten nun dauerhaft in den ‘Genuss’ brutaler Verfolgung und Misshandlung kommen? Oder sollen wir Putin anbetteln, Schwule bitte nicht mithilfe von Nordstream zu vergasen, so wie es einer seiner Chefpropagandisten im Staatsfernsehen vorgeschlagen hat? Ist die Vernichtung von queerem Leben und Kultur eine geeignete Gesprächsgrundlage?
Die Zeiten von Netiquette und Feel-Good-Aktivismus sind vorbei. Wir müssen unseren Platz in der Gesellschaft verteidigen, Verbündete unterstützen und Unterdrückten helfen. Auch in der Politik muss ankommen: um das Thema LGBTQIA+ Rechte kommt man auch im Russlandkrieg einfach nicht herum. Oder, um es noch einfacher zu formulieren: wer queerphob ist, hilft Putin.
Header: Isi Parente via Unsplash