Während eines Filmdrehs in Südfrankreich nimmt sich eine Schauspielerin ihr Nonnenkostüm, einen übergroßen Rosenkranz und ihre analoge Kamera und begibt sich in die private Kapelle, die zur Film-Villa gehört. In provokanten Bildern hält Natalia Portnoy eine Geschichte der Befreiung fest, inspiriert von ihrem Aufwachsen als queere Person im erzkatholischen Polen…
Natalia Portnoy ist eine vielfältige Künstlerin: queere Pornodarstellerin, Schauspielerin und eben auch Fotografin. “Eigentlich bin ich eine Dilettantin. Ich kenne mich mit Technik wenig aus”, verrät sie uns im Gespräch. Das fällt aber kaum ins Gewicht, da ihre Bilder, die sie meist analog aufnimmt, eine ungeheure Anziehungskraft besitzen. Sie fotografiert häufig an den Filmsets ihrer vielfältigen Engagements, sei es ein Spielfilm oder ein Porno. Mal dokumentiert sie das Spiel abseits der Kamera, mal entwickelt sie völlig eigenständige Handlungen, in denen sie Zeitgeschehen, Kindheitserlebnisse und eigene Bedürfnisse auseinanderdividiert und neu in Beziehung setzt.
In einer ganzen Serie bebildert sie die Geschichte einer Nonne, die sich quasi schlafwandelnd aus einengenden religiösen Strukturen befreit. Sie entkleidet und gibt sich der Liebe zu Gott in allen Facetten hin, auch der sexuellen. Sie entledigt sich aber nie der Religion als solches. Die christliche Symbolik bleibt immer ein Teil der Fotografien. Somit zeigt Natalia auch, dass die Welt nicht schwarz-weiß ist und man sich nicht zwischen Gottesliebe und freier Sexualität entscheiden muss, sondern sogar Verbindungen zwischen beiden entstehen können.
“Why should the intense and repetitive Love
for Jesus stop at sexuality?“
Ihre Bilder sind nicht einfach purer Aktionismus, die Provokation ist nicht Selbstzweck. Im Gespräch begegnet sie uns als eine Künstlerin mit ausgeprägter Fähigkeit zur Reflexion. In Polen ließe sich ihre Art von Kunst nicht umsetzen, erzählt sie. Bereits im Jahr 2002 wurde die Künstlerin Dorota Nieznalska zum Zentrum eines von Rechtskonservativen konstruierten Skandals. In einer Skulptur setzte sie sich mit Männlichkeitskult auseinander, indem sie das Bild eines nackten Unterkörpers in einem großen Kreuz fixierte – mit dem Penis im Zentrum. Angestachelt von einer rechten Partei, stürzten sich die Medien auf die 29-Jährige. Ein jahrelanger Weg durch die juristischen Instanzen begann, im Laufe dessen sie zunächst der Blasphemie für schuldig befunden, aber 2009 schlussendlich freigesprochen wurde. Ihr gerade beginnendes Kunstschaffen war von da an untrennbar mit dieser einen Skulptur verknüpft und Nieznalska somit stigmatisiert.
Natalia will das vermeiden, sie exiliert ihre Kunst. Auch um ihre Schuldgefühle zu beruhigen, weil Mitmenschen beim Anblick ihrer Kunst zuweil in Rage geraten und sich von ihr verletzt fühlen. Mehrfach betont sie, dass sie ausschließlich die polnische katholische Kirche meine, da sie andere Religionen bei Weitem nicht so intensiv kennengelernt habe. Nur zu jener könne sie deshalb Aussagen treffen. Doch ihr Werk dürfte darüber hinaus mehr Menschen ansprechen. Auch in anderen Religionen sind freie Liebe und queere Identität ungewollt, ganze Bevölkerungsgruppen ausgegrenzt. Dabei sind Emotionen und Gefühle universal – manchmal braucht es nur einen Moment der Befreiung.
Photo Credits:
© Natalia Portnoy | @nat.portnoy