Pinky Gloves, Sarah Everland, die nicht abreißende Serie von Femiziden, die Österreich derzeit schockieren – kaum einer FLINTA* wird momentan eine Verschnaufpause gegönnt. Wir versuchen, den Kampf auf allen Ebenen zu führen, auch wenn es manchmal weh tut. Doch wie kann dieses Empowerment aussehen? Acht FLINTA* aus Österreich, die tagtäglich für eine bessere Welt einstehen, erzählen uns, was sie mit dem Ausdruck „PUSSY POWER“ verbinden.
Sarah Kerschhaggl, sie/er, they/them | @sussgottin
Pussy Power kann vieles sein. Selbstbestimmung von FLINTA*. Ein Statement gegen die Stigmatisierung unserer Sexualität. Aber auch ein Slogan, der feministische Bewegungen co-opted und für eigene Zwecke missbraucht. Ganz besonders dann, wenn diese Zwecke transfeindlich statt inklusiv sind; wenn sie nur weißen cisgender hetero Frauen dienen. Wenn es nicht das Ziel ist, die Systeme, die FLINTA* unterdrücken, zu zerschlagen, sondern an deren Spitze stehen zu wollen; wenn die Intersektionen von Patriarchat, Kapitalismus und Imperialismus nicht beachtet werden; wenn Ableismus, Antisemitismus, White Supremacy und alle anderen Formen von Diskriminierung nicht mit einbezogen werden; dann ist weißer, liberaler Feminismus oftmals nicht besser als das Patriarchat. Feminismus muss antikapitalistisch sein und kommt nicht ohne Klassenanalyse aus. Das ist Feminismus. Das ist Pussy Power.
Eva Reisinger, freie Autorin und Journalistin in Wien | @evareisinger_
Ich bin Feministin – durch und durch. Mir bleibt auch gar nichts anderes übrig. Denn in Österreich ist das immer noch bitter nötig. Zwischen Nazis und Lederhosen sind FLINTA* immer noch weniger wert. Sie werden ermordet. Sie verdienen weniger oder bekommen Jobs erst gar nicht. Ja in diesem Land will sich nicht mal die Frauenministerin „Feministin“ nennen. Damit sich endlich etwas ändert, müssen wir, die privilegierten, weißen cis Personen endlich aufstehen und klar machen: Ich bin Feminist:in und gebe erst auf, wenn Gerechtigkeit für alle herrscht.
Nenda Neururer, Musikerin | @__nenda
Pussy Power ist für mich ein Reclaimen von Sprache, Räumen und Zeit. Wir haben uns angezogen, ausgezogen, sind hingezogen, hergezogen, haben uns rasiert und gekämmt und geschniegelt und gestriegelt. Wir haben unsere Röcke gekürzt und dann wieder verlängert, sind immer früh nach Hause gekommen und trotzdem war alles unsere Schuld. Ich habe so viel Schuld auf meinen Schultern, ich weiß gar nicht, wie ich überhaupt noch Treppensteigen soll. Wir haben unsere Gedanken für uns behalten, uns still verhalten, uns die Haare geglättet und unsere Schnurrbärte gebleicht, unsere Augenbrauen gezupft und unsere Knöchel mit untragbaren Schuhen verrenkt und jetzt reicht’s. Wir haben genug. Also macht doch einfach das Fenster auf – frische Luft rein, Patriarchat raus, danke.
Fredi Ferkova, Hausgemacht Co-Gründerin | @fredinovela
Pussy Power klingt für mich nach Stärke, #Bossbabes und Frauen, die sich feministisch für andere einsetzen. Genau solche Begriffe machen uns wieder eindimensional. Pussy Power ist auch, am Ende des Monats zu weinen, weil man nicht weiß, wo das Essen herkommen soll. Pussy Power ist auch, Bauchschmerzen zu haben, weil die Eierstöcke ziehen und drei Schachteln Toffifee zu essen, auch wenn man es sich anders vorgenommen hat. Pussy Power ist auch, andere Frauen nicht zu mögen, sei es, weil man neidisch oder eifersüchtig ist oder einfach so. Pussy Power ist, anderen unverblümt und emotional die Meinung zu geigen, auch wenn dich ein sachliches Gespräch weitergebracht hätte. Pussy Power ist, ein Jahr keinen Sex zu haben, weil man emotionale Sicherheit braucht. Pussy Power ist auch, Topmodel-Shows zu schauen, obwohl man es besser weiß. Pussy Power ist deine Panikattacke, deine Cellulite, dein Nicht-Vorankommen, dein Lästern, dein unnötig überzogenes Konto. Das sind auch wir. Das macht uns aus. Fühle dich nie schlecht dafür!
Toxische Pommes, TikTokerin mit gesellschaftskritischem Content | @toxische_pommes
Lasset uns beten! Lasset uns laut sein! Wir mussten zu lange die Fresse halten. Lasset uns dominant sein! Wir mussten uns zu lange unterwerfen. Lasset uns unangepasst sein! Wir mussten zu lange brav sein. Im Namen der Mutter, der Tochter und der heiligen Pussy, Amen. Pussy Power bedeutet für mich, den Raum zu beanspruchen, der uns zusteht und zu lange verwehrt wurde. Das schaffen wir nur zusammen, daher: Bilden wir Banden! Setzen wir uns für uns selbst ein, denn sonst tut‘s niemand. Kämpfen wir gemeinsam für eine gerechtere Welt – auch für diejenigen, die es nicht können oder dürfen. So stark wir zusammen auch sind, so individuell bleiben wir, daher: Respektieren wir unsere Vielfalt. Hassen wir einander nicht. Hören wir auf, patriarchale Muster zu reproduzieren und andere zurechtzuweisen, zum Schweigen zu bringen und zu hassen. Respektieren wir andere Meinungen und Unterschiede im Umgang mit Diskriminierung. Die Welt ist nicht schwarz und weiß. Wir alle gehen verschiedene Wege in unterschiedlichem Tempo. Wir alle haben unsere eigenen Geschichten und Traumata, die wir bewältigen müssen. Wir alle versuchen mit den Mitteln zu überleben, die wir haben
Mireille Ngosso, sie/ihr, Politikerin und Ärztin | @mireille_ngosso
Pussy Power bedeutet für mich den Kampf um gesellschaftliche Veränderung. Revolution bzw. Widerstand waren und sind oft männlich konnotiert. Feminismus war lange Zeit weiß. Diese Konzepte müssen wir dekonstruieren. Feminismus darf nicht nur bürgerlich, ästhetisch, hübsch verpackt und vermarktbar sein. Feminismus muss alle FLINTA* einschließen und für alle FLINTA* sprechen. Mainstream Feminismus vernachlässigt die Lehren der Intersektionalität komplett. Schwarze Frauen hatten diese schon immer im Blick, weil sie sowieso nie zur Norm gehörten. Ich bin seit über 10 Jahren politisch aktiv. Aber vor allem seit der BLM-Bewegung habe ich das Gefühl, dass die BPOC-Community in Österreich endlich mehr gehört wird. Wir leben in einer Zeit, in der den Menschen bewusst ist, dass wir Veränderung brauchen. Deshalb ist es mir unwahrscheinlich wichtig, dass mein Sohn in einer Welt aufwächst, die diverser und offener ist als es meine war. Wir erziehen ihn zu einem Mann, der für die Lebensrealität von FLINTA* sensibilisiert ist und dem die verschiedenen Kategorien der Diskriminierung bewusst sind. Egal, ob Alter, soziale Klasse, körperliche Fähigkeit, Religion, Herkunft, Gender, Sexualität oder Hautfarbe – es gibt keine Hierarchie zwischen Diskriminierungen. Jeder Mensch, der eine Facette davon erfährt, hat das Recht, gehört zu werden und hat unsere Solidarität im Kampf dagegen verdient.
Elisa Payer, Designerin | @elisapayer
An alle Frauen auf diesem Planeten; Wisst ihr, in welch mächtigem Körper ihr eigentlich steckt, wie schön ihr wirklich seid, dass eure feminine Existenz essentiell für die Menschheit ist, dass jede von uns ihre eigene Göttin ist? Ich weiß, dass wir alle Dinge erlebt haben, über die wir nicht sprechen können, weil es schmerzt, wir haben traumatische Erinnerungen, die jeden Tag in uns hochkommen, haben unter sexueller Belästigung gelitten, untragbarer Schmerz durch Gewalt, mental, physisch und auch spirituell. Ich fühle euren Schmerz, bis heute tut es weh, über meine Geschichte zu sprechen. Ich bin eine von euch. Ich weiß nicht, ob das jemals aufhören wird, aber ich habe aus meinem Trauma gelernt. Ich habe gelernt, darüber zu sprechen und es loszulassen. Ich habe gelernt, andere nicht zu beschuldigen und zu verzeihen. Ich werde es niemals vergessen, aber ich habe gelernt, Frieden zu finden. Denn niemand kann mir je meine Femininität nehmen und ihre Macht zerstören. Mein Schmerz hat es mir erlaubt, mich selbst noch mehr zu lieben als zuvor und meine Existenz als Frau zu schätzen. Nur liebe kann uns befreien. Ich bin eine freie Frau, und das bist du auch!
Enesi M, Afro Rainbow Austria | @3n3ws1
Pussy Power bedeutet für mich, sich seinen eigenen Körper zurückzunehmen, ganz egal welchem Geschlechtsausdruck er angehört. Pussy Power heißt auch, Aufmerksamkeit auf klitorale und vaginale Orgasmen zu lenken, denn diese Art von Orgasmen werden durch das Patriarchat zu sehr ignoriert. Es gibt Tonnen an Anleitungen und Artikeln darüber, wie man großartige Blowjobs gibt, denn dabei dreht es sich ja um den Penis. In den Schulen wird noch immer unterrichtet, dass Sex penetrativ ist und ein Penis in eine Vagina eindringen muss. Sex ist viel mehr als bloß das. Sex muss keinen Penis inkludieren, um gültig zu sein. Sex, bei dem es sich um die Vulva und Klitoris dreht, ist genauso gültig, wie jede andere Form von Sex.
FLINTA* = Female, Lesbian, Intersex, Non-Binary, Trans, Agender, * people