Sex

Love Me Kosher:
Das Jüdische Museum Wien erforscht jüdische Sexualität

Religionen und Sexualität sind häufig ein heikles Thema. Darf man vor der Ehe Sex haben? Ist die Frau gleichberechtigt? Ist Homosexualität erlaubt? Diese Fragen tauchen in allen großen Religionen immer wieder auf. Das Jüdische Museum Wien zeigt nun mit der Ausstellung Love Me Kosher, dass das Judentum überraschende Antworten auf diese Fragen bereithält.

Der Paradiesgarten von André Heller im Prisma. Foto: David Bohmann

Paradiesische Zustände

Wenn man den ersten Raum betritt, könnte man meinen, man steht im Paradiesgarten. In einem Kaleidoskop werden Videos von André Hellers Wundergarten Anima gezeigt, den der bekannte österreichische Künstler in Marrakesh gestaltete. Ab hier wird klar: wenn wir beim religiösen Ursprung beginnen, geht es ein Mal durch die gesamte Geschichte jüdischer Sexualität. Und diese ist gar nicht so konservativ, wie man es aus dem Christentum beispielsweise kennt. Das war den Kuratorinnen von Love Me Kosher, Danielle Spera, Daniela Pscheiden und Julia Windegger, auch wichtig: Regeln sind das eine, doch deren Auslegung kann man ganz pragmatisch angehen.

All The Jewish Ladies!

Die gleichberechtigte Befriedigung der Frau ist ein Thema mit Wichtigkeit im Judentum. Ein Ehevertrag von 1799 legt die sexuelle Zufriedenheit der Ehefrau beispielsweise als Bedingung fest. Das war im Christentum, das zu dieser Zeit (und großteils auch heute noch) die pure Lust als Sünde betrachtete, undenkbar. Genau dieser feministische Aspekt begleitet die gesamte Ausstellung. Was macht man, wenn die Religion vorschreibt, dass man nicht neben menstruierenden Frauen schlafen darf und auf die Nähe der Partnerin nicht verzichten will? Man baut einfach einen Reißverschluss in die Matratze ein. So wird aus einem Bett technisch gesehen ja zwei.
Außerdem taucht Ruth Westheimer in Love Me Kosher als zentrale Figur des Feminismus auf: in Deutschland geboren entkam sie den Nazis und der Shoah durch einen Kindertransport, lebte später in den USA. Dort wurde sie eine der wichtigsten Sexualexpert:innen und klärte ab den 1980er Jahren über feminine Orgasmen und HIV auf. Eine besondere Ecke ist Chana Boteach gewidmet: die Tochter eines orthodoxen Rabbiners (der selbst sehr offen über koscheren Sex aufklärt) gründete vor wenigen Jahren den weltweit ersten koscheren Sexshop – und sendete ein paar Produkte aus ihrem Sortiment an das Museum.

(Un)Orthodox queer

Der queere Aspekt der Sexualität war dem Museum auch ein wichtiges Anliegen. Da werden die Vorschriften schon deutlich ambivalenter: während weibliche Homosexualität in den heiligen Schriften keine Beachtung findet, ist männliche zumindest ab dem körperlichen Ausleben eigentlich untersagt, da der männliche Samen nicht “verschwendet” werden darf. Das hindert aber selbst manche orthodox-jüdische Schwule nicht daran, dem Drang nachzugehen. Eindrucksvoll wird das in den Fotografien von Benyamin Reich gezeigt, der selbst orthodox erzogen wurde und nun öffentlich in einer Beziehung mit einem orthodoxen Rabbiner ist. Er hält in fesselnden Motiven die (gleichgeschlechtliche) Liebe und Anziehung in streng konservativen Kreisen fest. Auch der Kibbutz Klub, ein Netzwerk jüdischer LGBTQIA+ Personen in Wien, das regelmäßig Clubpartys veranstaltet, findet hier auch endlich seine aufrichtige Würdigung. Seit neun Jahren schon wird hier ein Safe Space für Queers aller jüdischer Glaubensrichtungen geschaffen und ein Ort, an dem sie sich uneingeschränkt ausleben können.

Die Ausstellung läuft vom 22. Juni bis 13. November 2022 im Museum Dorotheergasse 11.
Eintritt: 12€ (Erwachsene) | 8€ (Studierende bis 27) | frei (u. a. für U18, ukrainische Staatsbürger:innen und weitere)

Header: Benyamin Reich, Chassidim in Love, 2018

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