Früher im Sportunterricht, der mir (wie den meisten Queers) recht unsympathisch war, gab es immer den Peptalk von unserem Lehrer, dass man im Leben nur zwei Möglichkeiten hat: kämpfen (immer gut) oder fliehen (nicht so gut). Bis heute habe ich keine Ahnung von Handball, aber wenn es ums Dasein an sich geht, war das von ihm doch sehr platt formuliert – die Welt ist nun mal non-binary.
Der britische Psychologe Jeffrey A. Gray hat dieses naive Fight-or-flight-System bereits in den 1980er Jahren um eine dritte Möglichkeit erweitert. Was, wenn angesichts einer akuten Stresssituation sowohl das Kämpfen als auch das Fliehen aussichtslos erscheinen? Dann gibt es die Option fright: Wir werden wie gelähmt, stellen uns quasi tot in der Hoffnung, dass wir dadurch für das angreifende Gegenüber uninteressant werden.
Egal, welcher Weg eingeschlagen wird – am Ende sind alle drei Optionen Ausdruck einer Flucht: nach vorne, zurück oder in sich selbst. Keine davon ist per se negativ oder lässt sich als ein Zeichen von Stärke oder Schwäche deuten, da alle im Grunde dasselbe Ziel haben: die Entfaltung der eigenen Persönlichkeit zu sichern – und manchmal sogar das Überleben. Denn wenn es mich nicht mehr gibt, wem erzähle ich dann, dass mein einziger Sport bis heute Spazierengehen ist?
Wir versammeln in diesem Teil unserer Ausgabe Geschichten über Situationen, die einengend und teilweise auch gefährlich waren und sind, und darüber, wie die Betroffenen ihre Flucht angetreten haben. Die Eskapist:innen dieser Ausgabe sind keine Hedonist:innen, sondern sie haben ihren Weg gewählt und sind ihrem Käfig oder einer Gefahr entkommen oder noch dabei, das zu tun. Es sind individuelle Geschichten, die individuelle Lösungen erfordern – deshalb kann es nur eine Losung geben: Für die Flucht; nach egal wohin!
CREDITS:
Editor
Konstantin Paul | @konstantinfranzfriedrich
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