Gastbeitrag
Steffi Stankovic (she/her)
Hi, wir kennen uns noch nicht.
Mein Name ist Steffi. Auf den ersten Blick bin ich ein gewöhnliches Mädchen, auf den zweiten Blick jedoch alles andere als das. Ich bin eine trans Frau. Für ganz viele da draußen gehöre ich noch immer zu den wenigen Personengruppen, zu der jede:r eine Meinung hat. Seit ungefähr sieben Jahren bin ich trans Aktivistin, und in dieser Zeit habe ich viele Meinungen darüber gehört, was ich bin und was nicht, was ich darf und was nicht. Meine Existenz als solches wird immer wieder infrage gestellt.
Dabei würde ich euch anlügen, wenn ich behaupten würde, dass ich nicht mein halbes Leben mit dem Wunsch verbracht habe, ich wäre cis und hetero. Ich hatte Angst davor, allein zu sein, ausgeschlossen von der Gesellschaft. Ich fragte mich, was passieren würde, wenn ich alleine zu mir selbst stünde. Würde sich etwas ändern? Schließlich wagte ich es doch, und das war die beste Entscheidung, die ich je getroffen habe. Ich habe meine Power im Transsein gefunden, ich bin alles und nichts zugleich, ich bin authentisch, ich bin der Widerspruch. Ich gehöre nicht hierher, und doch meistere ich mein Leben mit Klasse und Stärke. Mein Transsein steht für Selbstliebe, Widerstand, Freiheit – trotz aller Hürden würde ich immer wieder trans sein wollen.
Patriarchale Strukturen der Unterdrückung
In meiner Arbeit als Aktivistin war ich unlängst mit sogenannten TERFs konfrontiert, also Trans Exclusional Radical Feminists oder auch Anti-Trans-Aktivist:innen. Mir wurde gesagt, ich sei ein Mann, und dass Menschen wie ich dem Feminismus schaden würden. Ich wiederum war wütend, dass ich nicht in “ihrem” Feminismus inkludiert war, weil dadurch angeblich Stereotype erfüllt würden, meine Existenz an sich aber schon kein Stereotyp ist. TERFs haben ein Problem mit cis Männern, projizieren das aber auf uns trans Personen. Dabei dachte ich immer, im Feminismus ginge es letztlich darum, eine Wahl zu haben, wer man sein wolle, als Frau – in jede Richtung. TERFs fokussieren sich stark auf die zwei biologischen Geschlechter, was von Grund auf problematisch ist, da es auch intergeschlechtliche und nicht binäre Personen gibt. Unser Wunsch ist, ein Bewusstsein dafür zu schaffen, dass nicht nur Frauen gebären oder menstruieren können, da trans Männer, inter und nicht binäre Personen ebenfalls diese biologischen Eigenschaften aufweisen können. Die Angst der TERFs ist die Auslöschung der ‘’Frau’’ in diesem Kontext. Dabei kann man das Wort ´Frau´ oder deren Existenz gar nicht auslöschen. Das haben schon vor 100 Jahren cis hetero Männer mit einem Anteil von 50 Prozent an der Population versucht und nicht geschafft. Wie soll das dann eine Community erreichen, die nicht einmal ein Prozent der Weltbevölkerung ausmacht? In meinem Aktivismus für trans Rechte spielt Biologie keine Rolle – Biologie ist gleichzeitig auch Evolution und in konstanter Veränderung oder mit neuen Entdeckungen verbunden. Mich interessiert Geschlecht auf einer gesellschaftlichen, politischen und persönlichen Ebene. Wenn meine Performance in der Gesellschaft die einer Frau ist, spielt Biologie dann überhaupt noch eine Rolle?
“TERFs hinterfragen ihr Privileg nicht – sie tun so, als hätten sie keines. Das ist getarnte Transfeindlichkeit, in Sorge um die cis Frau. “
Die Existenz gewisser Menschengruppen zu leugnen ist ein altes patriarchales Instrument, das in der Geschichte der Menschheit in unterschiedlichsten Menschengruppen praktiziert wurde: wie Geschlechtertrennung im 19. Jahrhundert, als Frauen nicht dieselben Arbeitsrechte hatten und wählen durften, damit Männer die Kontrolle über sie behielten, genauso wie eine Hierarchie nach Hautfarbe, um den Menschen für persönliche Weiterentwicklung und Freiheit keinen Raum zu geben. Diese patriarchalen Strukturen praktizieren TERFs bei trans Personen heute. Sie hinterfragen ihr Privileg nicht – sie tun so, als hätten sie keines. Das ist getarnte Transfeindlichkeit, in Sorge um die cis Frau. Es gibt auch keinen Platz für Argumentation: Frauen sollte man ja schützen vor trans Personen in Frauen Schutzräumen oder toiletten. Gleichzeitig sehen sie nicht, dass der Schutz von trans Personen und cis Frauen Hand in Hand gehen würde. TERFs befinden sich tief in Verschwörungstheorien und betrachten sich als intellektuelle, differenzierte Denker:innen.
Kritische Theorie ist ein Werkzeug, das generell von „rechten“ Personen benutzt wird, wenn es um die Existenz von marginalisierten Gruppen geht. Zunächst nimmt man ihnen die Rechte weg und stoppt ihre Möglichkeiten sowie ihre Weiterentwicklung, damit sich Menschengruppen oder auch Klassen bilden. Die einen sind dann mehr wert als die anderen, und den besseren wird Schutz gewährt. Was einen kult artigen Beigeschmack hat, sind viele Gender-Kritiker:innen, die mit Trans Existenz Karriere machen. Sie haben ein großes Following, das ihnen das Gefühl vermittelt, etwas Besonderes zu sein. Es bringt ihnen Anerkennung und Lob auf Kosten vieler unterdrückter trans Menschen. Unsere Existenz steht aber nicht zur Debatte! Unsere Seelen stehen nicht zum Verkauf, um die Karriere von nicht intersektionalen Feminist:innen zu fördern.
Wir dürfen nicht existieren
Die Existenz von trans Personen wird ständig infrage gestellt. Speziell bei trans Frauen besteht die Stigmatisierung, dass wir uns für das Patriarchat „verweiblichen“: lange Haare, High Heels, manikürte Nägel und so weiter. Keine Frage, die Selbstsexualisierung der Frau ist vielleicht der größte Erfolg des Patriarchats. Ich erzähle aber nichts Neues, wenn ich von Schönheitsidealen spreche und davon, dass attraktive Menschen besser durchs Leben kommen. Speziell bei trans Personen generiert das dringend benötigte Sicherheit. Sieben von zehn trans Frauen erfahren wegen ihres Trans Seins Gewalt. Wir werden bedroht, missbraucht und ermordet. BIPOC trans Frauen leiden am stärksten darunter. Es hat viel mit Ausgrenzung und Gewalt von außen zu tun, am meisten bei trans Frauen, die als solche „erkennbar“ sind. Die Erwartungen sind hoch – einer trans Frau wird vorgeworfen, dass sie sich für das Patriarchat schön macht, dass diese Sachen sie aber nicht zur Frau machen. Stimmt – tun sie auch nicht. Geben wir aber derselben Person Bart, kurze Haare und Kleidung aus der Männerabteilung, nimmt sie niemand als Frau wahr, was sie wiederum in Gefahr bringen würde. Wir können einfach nicht gewinnen. Es ist wirklich erstaunlich, dass ein so kleiner Teil der Gesellschaft derart polarisieren kann. Jede:r hat eine Meinung zu trans Menschen. Dabei sollten diese Dinge überhaupt nicht zur Debatte stehen. Wir reden hier über Menschen und deren Existenz! Es ist die Verantwortung von cis Personen, trans Personen ernst zu nehmen und zu respektieren.
Trans Befreiung!
Trans Personen gibt es dokumentiert seit über 2000 Jahren, und der Kampf um ihre Existenz dauert bis heute an. Trans steht für Selbstbestimmung und für das Ausbrechen aus vorgegebenen „Normen”, für die Selbstliebe und die unverschämt wunderschöne Art, zu sich selbst zu stehen, trotz Widerstand und Unterdrückung von Seiten der Gesellschaft. Es gibt keine Stereotype, in die wir reinpassen, wir sind untereinander verschieden, genau wie alle anderen Menschengruppen auch. Unsere Existenz wird viele provozieren und zum Nachdenken bringen: Bin ich überhaupt cis, bin ich eine Frau, bin ich ein Mann, oder bin ich einfach nichts von beidem? Alles ist erlaubt, Gleichberechtigung für alle. Meine Freiheit ist auch deine Freiheit! Du bist wichtig und ich bin stolz auf dich, dass du in dieser Gesellschaft stark bist. Du verdienst nicht nur Toleranz. Du verdienst Respekt, Freiheit, Frieden und hast ein Recht auf dein Leben.
CREDITS
Editor
Steffi Stankovic | @steffi_stan_
Pictures
Zoe Opratko