Zeitgeist

Der diskriminierendste Witz aller Zeiten: Kein Blut von den Gays

Was nach dem letzten Jahrhundert klingt ist absurderweise noch immer Realität. Man könnte meinen, dass SPÄTESTENS seit der Ehe für Alle, der EuroPride oder der relativen und teilweisen sozialen und gesellschaftlichen Gleichstellung von Hetero mit Homo, Bi, Transgender und Queer es der österreichischen Gay-Community erlaubt sei, Blut zu spenden. Doch dem ist nicht so. Immer noch nicht! Why though?

Ich habe Blutgruppe A und gehöre dadurch zum größten Personenkreis mit dieser Blutgruppe in Österreich. Einerseits entspannend zu wissen, dass im Falle einer Transfusion genügend Blutkonserven für mich da wären. Andererseits beunruhigend und hoch diskriminieren zu wissen, diesem Großteil von 41% mit meinem bösen Homoblut nicht helfen zu dürfen. Natürlich geht es beim Blutspenden um die Empfänger. Um diejenigen, die “sauberes” Blut der jeweiligen Spender bekommen und dadurch überleben oder gesund weiterleben können. Doch durch eine vorherige Ausschließung bestimmter Personenkreise aufgrund ihrer sexuellen Orientierung (und ich spreche hier nicht von medizinischen Ausschlusskriterien wie Allergien, Diabetes, Epilepsie oder Herz-Kreislauf-Erkrankungen) ist dies schlicht und ergreifend eine pauschalisierte Diskriminierung und längst überholt.

 

 

Die Gesetzeslage

 

Die österreichischen Spendekriterien unterliegen dem Blutsicherheitsgesetz bzw. den Kriterien der Blutspendeverordnung (Stand: 2014): Das Rote Kreuz schreibt hierzu auf seiner Website, dass die Zulassung zu einer Blutspende immer eine individuelle Einzelprüfung wäre. Letztendlich entscheide der jeweilige Arzt aufgrund gesetzlicher Vorgaben über die Eignung des Spenders.

 

Weiters heißt es auf der Homepage des Roten Kreuz:
Männer, die Sex mit Männern hatten (MSM): Männer, die Sex mit Männern hatten, werden von der Blutspende ausgeschlossen. Dieser Ausschluss erfolgt aufgrund eines signifikant höheren Infektionsrisikos für HIV und des verbleibenden Restrisikos bei der Diagnostik. Leider kann dieses Restrisiko trotz modernster Testmethoden nicht ausgeschlossen werden. Aus diesem Grund werden Personen, die zu Risikogruppen zählen oder Risikoverhalten zeigen, vom Blutspenden ausgeschlossen. International besteht Konsens, dass MSM-Kontakte als Risikoverhalten einzustufen sind: Europarat, Europäische Blutallianz EBA, Europäische Qualitäts- und Gesundheitsbehörde EDQM und US-Lebensmittel- und Arzneibehörde FDA.”

 

 

Pauschalisierung at it’s best!

 

Dieses signifikant höhere Infektionsrisiko und das damit verbundene “Risikoverhalten” sind hier das Problem! Ich persönlich kenne keinen Hetero, der mindestens zweimal im Jahr zur HIV-Vorsorgeuntersuchung geht – in meinem Gay-Freundeskreis zählt dies zur absoluten Normalität. Auch wenn wir wissen, dass wir safe sind, machen wir es trotzdem, just to make sure. Wie oft höre ich auch von meinen straighten Freunden und Freundinnen, dass sie mal wieder upsi, letztes Wochenende ungeschützten Geschlechtsverkehr mit irgendjemandem hatten. Wenn ich mit meinen Homo Friends über bare Sex spreche ist das (zumindest in meiner Social Bubble) die absolute Ausnahme und/oder passiert nur in geschlossenen Beziehungen. Natürlich gibt es überall schwarze und rücksichtslose Schäfchen, die irgendwas irgendwo reinstecken, ohne nur einen Gedanken an Risiken und Folgen zu verschwenden, doch das ist kein Problem der Gay-Community. Und erst recht kein Problem im angenommenen Vorhinein. Was hier problematisch ist, ist der generelle Ausschluss von ALLEN Gays, die ein aktives Sexleben haben.

 

Weiters ist auf der Seite vom Roten Kreuz als Ausschließungskriterium zu lesen:Einmaliges HIV-Risikoverhalten: Nach dem Ereignis vier Monate”. Das heißt also, dass ich als schwuler Mann nachweisen muss/kann(?), dass ich seit vier Monate keusch lebe und dadurch wieder für das Abgeben meiner Blutspende in Frage komme? Ganz ehrlich, das macht es nicht besser!

 

 

Übrigens ist das kein rein österreichisches Problem, in Deutschland sieht das Ganze nicht wirklich anders aus: Schwule Männer waren dort bis zum Jahr 2017 komplett von der Blutspende ausgeschlossen. Seit August 2017 ist es Gays dort erlaubt ihr Blut zu spenden, vorausgesetzt sie hatten in den zwölf Monaten vorher keinen Sex. WOW, ein Jahr lang enthaltsam leben? Hier beißt sich die theoretische Gesetzgebungskatze selbst in den ach so gefährlichen und risikobehafteten Gay-Schwanz. Das ist auch nur ein weiterer witzloser Versuch einzulenken, um liberal wirken zu wollen. Nice try!

 

Weltweit gibt es in den Zivilisationsstaaten folgende MSM-Richtlinien zur Blutspende
(Stand 2014):

 

 

Hellrot: Männer, die Sex mit Männern haben dürfen Blut spenden – kein Aufschub
Rot: Männer, die Sex mit Männern haben, können Blut spenden – vorübergehender Aufschub
Dunkelrot: Männer, die Sex mit Männern haben sind komplett vom Blutspenden ausgeschlossen – dauerhafter Aufschub
Grau: Keine Daten vorliegend

 

Was kann man also dagegen tun? Eine Petition starten? Beim Ausfüllen des Fragebogens lügen? Hier muss etwas Großes getan werden, damit Männer aufgrund ihrer sexuellen Orientierung nicht mehr automatisch in einen Risikotopf mit Drogenabhängigen oder tatsächlich an AIDS-erkrankte Personen geworfen werden.

 

Text Michael Haller

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