Zeitgeist

Queer History #4: 1970er Jahre – Die Zeit des Umbruchs

Die 1970er Jahre stellen sowohl geschichtlich als auch filmgeschichtlich ein bedeutendes Jahrzehnt dar. Besonders in der queeren Community fanden in diesem Jahrzehnt einige bedeutende Ereignisse statt, die den Wandel der (queeren) Gesellschaft maßgeblich prägten. In unserer Reihe Queer History erklären wir euch, was es bedeutete, in den 70ern queer zu sein:

26 US-Staaten und mehr als 8 Länder entkriminalisieren in dieser Zeit Homosexualität. Im Dezember 1973 wurde Homosexualität aus der Liste der psychischen Störungen der American Psychiatric Association entfernt. Auch fanden im Jahr 1970 die ersten Pride Parades in New York, Washington, Los Angeles und San Francisco statt, und 1979 wurde schließlich der erste nationale Marsch für die Rechte homosexueller Menschen in Washington organisiert.

1977 wird Harvey Milk in San Francisco zum Stadtrat, und damit als erster offen schwuler Amerikaner ins öffentliche Amt gewählt. Im darauffolgenden Jahr werden er und der damalige Bürgermeister San Francisco’s, George Moscone, vom ehemaligen Stadtrat Dan White im Rathaus erschossen. Als der Mörder von Harvey Milk, Dan White, 1979 des „Totschlags im Affekt“ und nicht des „vorsätzlichen Mordes“ für schuldig befunden wird, löste es eine gewaltsame Rebellion der amerikanischen Schwulen-Gemeinschaft aus: Die Ereignisse werden unter dem Namen White Night Riots bekannt, und stellen neben den Stonewall-Unruhen einen der einschneidendsten Aufstände der homosexuellen Gesellschaft dar. Diese und viele weitere historische Ereignisse beeinflussten zweifellos auch die queere Filmszene der damaligen Zeit, die den gesellschaftlichen Wandel in den 1970er Jahren prägte. Wir stellen euch 3 Filmproduktionen vor, die besonderen Einfluss auf die Entwicklung der queeren Szene hatten, und  bis heute zu den wichtigsten Wahrzeichen der Bewegung für die Rechte der schwulen und lesbischen Gesellschaft zählen.

 

The Boys in The Band

 

The Boys in The Band vom US-amerikanischen Regisseur William Friedkin gehört zu den ersten Queer-Filmen der Siebziger. Der Film stellt die Geschichte einer von sieben homosexuellen Freunden organisierten Geburtstagsparty dar. Gleich zu Beginn des Films wird die Sexualität der Männer als „offenes Geheimnis“ behandelt. Zwar müssen die Hauptfiguren ihre Homosexualität voreinander nicht geheim halten, gleichzeitig sprechen sie nie offen vor einer Person, die nichts davon weiß. Beeinflusst von den revolutionären Ereignissen der Sechziger, handelt die Geschichte von den „coming-outs“ der Hauptfiguren, sowie von der damaligen Gesellschaft, die langsam offener und liberaler wurde. The Boys in The Band gibt einen Einblick in das Alltagsleben homosexueller Männer in den Siebziger Jahren und gilt heutzutage als Kultfilm.

 

Rocky Horror Picture Show

 

Die Rocky Horror Picture Show ist bei vielen als der Kult-Film schlecht hin bekannt. Er handelt von einem frischverheirateten Pärchen, dass in einer regnerischen Nacht am Haus des Dr. Frank’n Further strandet. Die Charaktere sind skurril und einzigartig, der Film selbst eine Mischung aus Krimi, Skurrilität, Musical und Fiction, welcher die Themen der Bisexualität, Homosexualität und Transsexualität sowie die fortschreitende Legalisierung von Homosexualität dieser Zeit aufgreift. Tim Curry selbst war sich zu Anfangs unsicher, ob er die Rolle wirklich spielen wolle, da er Angst hatte, für die Menschen immer Frank’n’Further zu bleiben, berichtete er in einem Interview von 1975. Wovor er allerdings nie Angst hatte, waren die Reaktionen des Publikums – diese interessierten ihn kaum. Der Kinostart 1975 verlief alles andere als rosig: Die Karten verkauften sich schlecht, und kaum jemand empfand den Film als gut. Den Durchbruch erreichte Rocky Horror im Waverly Theatre, eines der ersten Kinos die ausschließlich queere Filme zeigten. In jenem Kino wurde auch der Mitmachkult der queeren Szene erfunden. Der Film kennzeichnete die Zeit des Genderbending und wird bis heute als Mitmach-Kult aufgeführt, beispielsweise in der Wiener Stadthalle.

 
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Word is out

 

5 Jahre, 200 Interviews, ein Film. Im Dokumentarfilm Word is out: Stories of Some of Our Lives, erstmals gezeigt im Jahr 1977, sprechen 26 schwule Männer und lesbische Frauen unterschiedlichen Alters und verschiedenster ethnischer Hintergründe über ihre persönlichen Erfahrungen und das Leben außerhalb der gesellschaftlichen „Norm“. Der Film war der erste seiner Art, und sollte mit Stereotypen der Gesellschaft über schwule und lesbischen Menschen brechen, um queere Menschen ganz privat in einem positiven und menschlichen Licht darstellen – anders als bisher geschehen. Die Dokumentation hatte beachtlichen Einfluss auf die Wahrnehmung queerer Menschen, und wurde zu einem wichtigen Symbol der stark aufkommenden Bewegung für die Rechte der schwulen und lesbischen Gemeinschaft in den 1970er Jahren.

In den 1970er Jahren hat sich besonders in der queeren Gesellschaft vieles verändert. Rechte wurden eingefordert, Widerstand wurde gezeigt und gleichermaßen versucht, bestehende Differenzen oder entgegengebrachtes Unverständnis zu überwinden. Das zeigt sich auch in den queeren Filmproduktionen des Jahrzehnts, die versuchten aufzuklären, zwischenmenschliche Nähe zu schaffen, oder mit viel Witz zu unterhalten und so unterbewusste Hürden zu überwinden. Dennoch – damals war und ist es heute noch, ein langer Weg zu gehen, um das Ziel der gänzlichen Toleranz und Akzeptanz endlich zu erreichen.

HIER geht’s zu #3 der Queer History Reihe


Text: Lisa Walzek, Viktoria Hromova, Alina Dietenberger

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