SPOILER ALERT: Wie kann der Beginn eines neuen Kinozeitalters nach einem zwangsverordneten, sechsmonatigen Dornröschenschlaf bombastischer eingeläutet werden, als mit der aktuellen cinematografischen Fuge von Maestro Christopher Nolan?
Text: Peter Sodoma
In TENET wird ein Agent von einer mysteriösen Organisation rekrutiert, um einen besonderen Auftrag auszuführen: Es muss eine Person gestoppt werden, die die Fähigkeit besitzt, die Zeit zu manipulieren – und dadurch den 3. Weltkrieg auszulösen. Die Manipulation von Zeit und Raum durchzieht das Werk Nolans von MEMENTO über INCEPTION bis zu INTERSTELLAR. Doch während er uns in den genannten Werken bis an die Grenzen der Logik führt, überschreitet er diese mit TENET nun bis zur Selbstpersiflage.
Gleich zu Beginn werden uns neben jeder Menge Action Erklärungen über “Umkehrung der Entropie” und “invertierter Materie” gegeben, die jedoch mit fortschreitender Handlung in intellektueller Erschöpfung münden und der Spannung mehr abträglich als nützlich sind. Denn im Gegensatz zur Hitchcock‘schen Suspense, die ihre Spannung daraus bezieht, dass der Zuschauer immer ein wenig mehr weiß als der Protagonist, hechelt man den handelnden Figuren, die stets über mehr Informationen zu verfügen scheinen, nur hinterher, zumal die innere Logik und Schlüssigkeit, die Nolans beste Werke auszeichnet, vollkommen abhanden gekommen zu sein scheint.
Nachdenken sollte man also tunlichst nicht, wenn man vermeiden will, dass sich die von Menschen in weißen Kitteln gegebenen gewichtigen Erklärungen über Zeit und Raum in Luft auflösen und die inneren Widersprüche des Konzepts, das auch Zeitreisen in die Vergangenheit ermöglicht, einem das Hirn zu sprengen drohen. Doch ärgerlicher als all der invertierte Hokuspokus und die zeitlichen Verschachtelungen, die lediglich dazu dienen, den flachen Grundplot zu überspielen, ist das völlige Fehlen einer Biografie und Tiefe der Hauptfigur, die trotz des Sympathieträgers John David Washington seltsam eindimensional, kühl und langweilig bleibt. Auch gibt es kaum eine emotionale Verbindung, keine Beziehung der Figuren untereinander jenseits ihrer Funktionen.
Christopher Nolan gibt sein Bestes, um störende kognitive Aktivitäten zu unterbinden. Der Film springt in Höchstgeschwindigkeit von einem Spektakel zum nächsten: Da wird am Abzug einer Pistole gezogen, während gleichzeitig das Einschussloch in der Glasscheibe verschwindet und die Kugel wieder in ihren Lauf zurückspringt. Ein Wagen fährt mit hoher Geschwindigkeit auf ein Autowrack zu, das auf dem Dach liegt, eine Sekunde später wird es in die Luft gezogen, dreht sich mehrfach um die eigene Achse, beult sich von selber aus und rast rückwärts davon. Zudem gibts jede Menge Bond-Flair, von kühnen Kommando-Operationen, einem Hochhauseinbruch in Mumbai, einem Supersnob-Lunch mit Michael Caine in London, eine Lady in Luxusgefangenschaft an der Amalfiküste sowie einem russischen Oberschurken mit Superyacht.
So sollte man am Besten der Empfehlung einer Physikerin folgen, die dem Protagonisten und damit auch augenzwinkernd dem Publikum rät: „Versuchen Sie nicht, es zu verstehen. Fühlen Sie einfach.”
Seht euch hier den offiziellen Trailer zu TENET an:
Header: Warner Brothers
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