Suzie Grime ist als Influencerin Wegbereiterin einer neuen sexpositiven Ära. Die deutsche Feministin wird von ihren Follower*innen für ihre authentische und nahbare Art geschätzt. Neben YouTube und Instagram ist die 29-Jährige nun auch als Creatorin auf OnlyFans aktiv – einer sozialen Plattform, die sich vor allem durch kostenpflichtige Abonnements und viel nackte Haut auszeichnet. Feminismus und Pornographie? Absolut kein Widerspruch, meint Suzie und erzählt uns im Interview von ihren Erfahrungen im Erotikbusiness.
Wie lange bist du bereits bei OnlyFans und wann hat deine Begeisterung für erotische Inhalte begonnen?
Ich bin seit Mai 2020 auf OnlyFans registriert, begeistert war ich vom Erotikbusiness allerdings schon als junger Teenager. Auf RTL II liefen abends immer Reportagen über Stripclubs, Bordelle und das Swingerleben. Das fand ich schon früher sehr spannend.
Könntest du dir auch vorstellen hauptberuflich im Erotikbusiness zu arbeiten?
Das war nie mein Ziel und wird es vermutlich auch nicht werden. Ich sehe OnlyFans eher als einen gewöhnlichen Nebenjob, der für mich mehr Sinn ergibt als beispielsweise zu kellnern.
Wie lukrativ ist dein Geschäft auf OnlyFans? Wie viel Zeit investierst du pro Woche in die Pflege deines Accounts und wie hoch ist der Aufwand für die Erstellung von neuem Content?
Ich verdiene pro Monat eine vierstellige Summe (in Dollar) und der Zeitaufwand ist immer unterschiedlich. In Wochen, in denen ich Fotoshootings habe – inklusive Styling und Fotografen – ist der Zeitaufwand natürlich etwas größer. Wenn ich bereits vorproduzierte Inhalte poste, sind es nur ein paar Stunden pro Woche, in denen ich mit Uploading und dem Beantworten von Nachrichten und Kommentaren beschäftigt bin.
Du zeigst bereits auf Instagram viel nackte Haut. Welche tieferen Einblicke erwarten deine Fans dann bei OnlyFans? Und hast du eine persönliche Grenze? Etwas, das du auf keiner Plattform zeigen wirst?
Auf OnlyFans kann man natürlich wesentlich mehr von mir sehen als auf meinem Instagram-Kanal. Das liegt vor allem an der Zensierung, denn auf Instagram dürfen nicht einmal weibliche Nippel dargestellt werden. Meine Verkaufsschlager sind meine Brüste und Füße – für die Fußfetischisten. Bisher kann man auf OnlyFans alles außer meiner Muschi sehen. Das ist eine Grenze, die ich für mich gesetzt habe und ich weiß aber nicht, ob sich das in Zukunft einmal ändert.
Postest du nur Fotos und Videos oder schreibst du auch privat mit deinen Fans?
Natürlich ist bei OnlyFans vor allem die Nahbarkeit sehr wichtig. Es ist eine Social Media Plattform wie jede andere und es geht hauptsächlich darum, dass die Fans im direkten Kontakt mit mir und meinem Content stehen können. Ich poste Fotos und Videos und schreibe natürlich auch mit ihnen. Es ist quasi ein Safe Space für die verrücktesten und tiefsten Fantasien, die Menschen sexueller und erotischer Natur haben können. Hier dürfen sie diese ohne Scham mit anderen teilen.
“Ich empfinde es als sehr bestärkend, Darstellerin und Erzählerin meines eigenen erotischen Narratives zu sein.”
Erhältst du auf OnlyFans auch Sonderwünsche und besondere Anfragen? Wie weit bist du bereit zu gehen? Hängt das davon ab, wie viel ein Fan bezahlt?
Was ich zeige hängt natürlich auch davon ab, was meine Fans zu zahlen bereit sind. Auf der Plattform gibt es nämlich die Möglichkeit via Privatnachricht Trinkgeld zu schicken. Von Fans kommen dann konkrete Anfragen zu Inhalten, die sie gerne sehen möchten. Je nach Höhe der Summe setze ich den Wunsch dann um oder auch nicht. Ich befinde mich glücklicherweise in einer stabilen finanziellen Lage, weswegen ich keine Anfragen annehmen muss, in denen für zu wenig Geld die Erfüllung eines verrückten Wunsches gefordert wird. Ich entscheide wirklich Fall für Fall aus dem Bauch heraus, ob sich dieses Stück Content für das Geld und den Zeitaufwand lohnt.
Hast du das Gefühl, dass irgendwann – genauso wie beispielsweise auf Instagram -– ein Konkurrenzdruck entsteht und du indirekt dazu gezwungen wirst, deine Grenzen zu überschreiten?
Meines Erachtens ist es notwendig, dass man immer mit der Zeit geht, egal in welcher Branche man arbeitet. Ob als Erotikmodel auf OnlyFans, als Fashion Bloggerin auf Instagram oder als YouTuberin. Wenn deine Inhalte beim Rezipienten irgendwann keinen Anklang mehr finden, solltest du dir etwas Neues ausdenken. Ich persönlich habe diesen Druck noch nie gespürt. Ich bin eine Brand, also ein Mensch als Marke, und die Leute folgen mir, weil sie meine Inhalte gut finden. Menschen geben in dieser kapitalistischen Gesellschaft im Tausch gegen Geld ihre Zeit, körperliche oder auch intellektuelle Leistung und ihr Schaffen her, damit sie davon leben können. Einem Bäcker oder Fitnesstrainer wird diese Frage im Gegensatz zu Sexworkern ja auch nicht gestellt. Daran erkennt man die sexworkerfeindliche Haltung in unserer Gesellschaft.
Ist es schon mal vorgekommen, dass ein Fan übergriffig wurde und du ihn deshalb blockieren musstest oder vielleicht sogar Angst hattest?
Nein, nie im Zusammenhang mit OnlyFans. Das ist nur bei antifeministischen und rassistischen Trollen auf meinen anderen Plattformen vorgekommen.
Sind unter deinen Fans nur Männer oder auch Frauen? Wie alt ist deine Zielgruppe ungefähr?
Es sind überwiegend Männer, vereinzelt aber auch mal eine Frau. Auf Instagram ist meine Zielgruppe zwischen 18 und 25 Jahre alt.
Warum denkst du, dass OnlyFans eine geeignete Plattform für Feminismus darstellt?
Es geht um die körperliche Selbstbestimmung der Frau und um das Ownen der eigenen Sexualität. Insofern ist OnlyFans eine überaus sexpositive Angelegenheit. Ein Feminismus, der nicht sexpositiv ist, ist für mich kein Feminismus. Ich finde nicht, dass ich mich in dem Moment, in dem ich erotisches Material von mir anfertige und verkaufe, zu einem Objekt degradiere – im Gegenteil: Ich empfinde es als sehr bestärkend, Darstellerin und Erzählerin meines eigenen erotischen Narratives zu sein. Insofern ist es in meinen Augen natürlich absolut feministisch. Das Patriarchat hat eine Welt geschaffen, in der Frauen nur von anderen objektiviert werden dürfen und sobald sie es selbst tun, soll es unfeministisch sein? Das ist total unlogisch. Man kann nicht eine Gesellschaft bauen, in der ein Wert von Frauen an ihrer Schönheit gemessen wird und sie dann dafür verurteilen, wenn sie genau diese Karte, die ihnen das Patriarchat von Geburt an in die Hand gegeben hat, auch spielen.
“Frauen werden für
das Ausleben ihrer Sexualität
noch immer verurteilt.”
Wie hat dein Umfeld auf deine Registrierung bei OnlyFans reagiert? Stößt du auf Widerstand? Hast du deshalb irgendwelche Jobs verloren oder nicht bekommen?
Mein Umfeld hat größtenteils sehr interessiert darauf reagiert. Wenn ich Bekannte treffe, die ich lange nicht gesehen habe, ist eine der ersten Fragen: „Ey, OnlyFans, erzähl doch mal, wie läuft das überhaupt?“ Man kennt schließlich noch nicht so viele Leute persönlich, die sowas machen. Ob ich durch OnlyFans Jobchancen verpasst habe, weiß ich nicht. Aber natürlich ist davon auszugehen, weil Frauen für das Ausleben ihrer Sexualität noch immer verurteilt werden. Ich sehe mich diesbezüglich auch ein bisschen als Freiheitskämpferin. Ich habe schon immer das gemacht, was sich für mich richtig, gut und authentisch angefühlt hat. Auf diese Art und Weise will ich Menschen beeinflussen, sich diesbezüglich mehr zu öffnen. Als ich jünger war, haben mir Vorbilder gefehlt, die einfach machen, worauf sie Bock haben und darauf scheißen, was andere von ihnen denken.
Denkst du, dass Stars von OnlyFans Vorbilder für junge Menschen sein können?
Sex ist ein Erwachsenenthema, worüber öffentlich nicht unbedingt geredet wird. Wenn junge Frauen Anfang 20 zu mir kommen und sagen, dass sie mich total inspirierend finden, weil ich ihnen in Sachen Feminismus und körperliche bzw. sexuelle Selbstbestimmung viele Themen aufgezeigt habe, dann bin ich gewissermaßen ein Vorbild für sie. Dabei geht es ganz oft um das Selbstbild in Bezug auf den eigenen Körper – Stichwort Bodyshaming oder Slutshaming. Mir ist durchaus bewusst, dass ich aus einer privilegierten Position heraus spreche, da ich nicht hauptberuflich Erotikdarstellerin bin. Meine Tätigkeit ist noch immer sehr „Vanilla“, weil mein Hauptjob als Journalistin, Influencerin, Social Media Direktorin oder Stylistin nichts mit Sexwork zu tun hat. In diesen Bereichen kommt es nicht darauf an, ob ich sexy oder nackt bin. Dadurch kann ich vielen Selbstbewusstsein vermitteln, weil ich mit einem Fuß in der Welt stehe, in der sie sich selbst befinden und mit dem anderen in der Erotikwelt.
Alle Bilder: © Philipp Gladsome