Ich habe es satt. Ich habe es satt, die ganze Zeit diesen Satz über Schwarze zu hören – „Black is beautiful“. Ja, ich weiß, wir sind wunderschön, aber es kommt mir so vor, als würden wir auf diesen einen Satz reduziert werden. Denn dieses „Black is beautiful“-Movement kann nicht einmal annähernd beschreiben, worum es bei dieser Schwarzen Schönheit wirklich geht: Ums wieder Aufstehen, wenn man am Boden ist. Ums Kraft finden, wenn man am Ende ist. Ums Hoffnung haben, wenn man verzweifelt ist. Schwarze Schönheit bedeutet nicht, Schwarz und schön zu sein, sondern Schwarz zu sein und Schönheit zu haben. Eine Schönheit, die aus Erfahrungen ersteht, aus Empathie und Kreativität, die aber gleichzeitig im Erleben von Hass, Traumata und oft blanker Verzweiflung wurzelt.
Empathie gehört zu uns, ganz wie die Luft zum Atmen. Doch wie kann Mitgefühl entstehen, wenn wir im Gegenzug keines erfahren? Ganz einfach: Wir wollen nicht, dass jemand dasselbe durchmachen muss. Wir wissen, dass Menschen Fehler machen und sehen diese Fehler als Chance, etwas Neues zu lernen. Unsere Solidarität zeigt sich nicht – wie bei vielen anderen – auf Social Media, sondern es sind die ungesehenen Momente, die unausgesprochenen Worte einer leidgeprüften Solidarität, die uns die Kraft dazu geben.
Inklusion ist für uns die Basis des Dazugehörens. Wieso sind wohl oft „Außenseiter:innen“ diejenigen, die als Diversity-Beauftragte eingesetzt werden? Wieso ist es vielen von uns ein Anliegen, dass nicht nur Schwarze repräsentiert werden, sondern auch andere Personen, die nicht der weißen hetero-Norm entsprechen? Vermutlich, weil wir wissen wie es ist, nicht dazuzugehören. Weil wir wissen, dass unsere Erfahrungen nicht dieselben sind, wie die derjenigen an der Spitze der Gesellschaft. Durch Diskriminierung, durch den alltäglichen Rassismus, durch Blicke auf der Straße merken wir jedes Mal aufs Neue, wie schmerzhaft dieses „normal“ für uns noch immer ist.
Wenn etwa Anna Müller auf Facebook schreibt, dass „Rassismus nur in den USA ein Thema“ sei, aber in Österreich sowas nicht passiere, „weil hier nicht so viele ‚von denen‘ da sind“, fühlt es sich wie diese eine Wunde an, die immer wieder aufgeht. Eine Wunde, die einem so alt vorkommt wie man selbst. Aber für das Abheilen derselben brauche ich kein „fleischfarbenes“ Pflaster, sondern Menschen, die dasselbe erlebt haben, die wissen, worüber ich spreche. Leute, die einem ein Lächeln auf die Lippen zaubern und mir ihre Schulter zum Ausheulen anbieten. Wir helfen einander hoch, weil wir wissen, wie der Dreck schmeckt. Und das ist es, was uns beautiful macht.
“Kannst du dich an das letzte Mal erinnern, als du beschimpft worden bist?”
Kreativität spricht man uns Schwarzen gerne zu: Wir singen und tanzen. Doch hat sich jemand einmal Gedanken darüber gemacht, über was wir singen und welche Gefühle wir mit unserem Tanzen verarbeiten? Kannst du dich an das letzte Mal erinnern, als du beschimpft worden bist? Aus dem Nichts beleidigt worden bist? Mit einer Bezeichnung versehen worden bist, die grotesk und unmenschlich ist? Nein? Dann bist du wahrscheinlich extrem privilegiert oder gut in Sachen Selbstbetrug. Wenn du dich an das letzte Mal erinnern kannst – so wie ich – dann frage ich dich, was du damals getan hast? Hast du dich geärgert, weil du nicht schlagfertig warst? Warst du so wütend, dass du dich zurückhalten musstest, um nicht handgreiflich zu werden? Musstest du mit Tränen kämpfen und warst geschockt und verzweifelt zugleich? Wir singen, tanzen, schreiben uns diesen Schmerz von der Seele. Diese heftigen Gefühle kanalisieren wir und drücken sie in unserer Kreativität aus. Wer in einer Gesellschaft keinen Widerstand leisten kann, muss es auf eine Art und Weise tun, die nicht offensichtlich bedrohlich ist. Und wie sich eine kleine Pflanze durch Beton drücken kann, so drücken wir uns damit durch den Beton einer Gesellschaft, die uns nicht wachsen sehen will. Auch das macht uns beautiful.
Es ist kein Zufall, dass sich Schwarze Schönheit aus Empathie, Inklusion und Kreativität zusammensetzt. Wenn ich Mitgefühl für andere entwickeln kann, will ich wissen, was in ihnen vorgeht und gemeinsam etwas machen. Als Gemeinschaft tauscht man sich aus, entwickelt Ideen und lässt den Gedanken freien Lauf. Kreativität baut auf Empathie auf – wenn man weder Mitgefühl noch Interesse an Neuem und Anderem hat, wird man stumpf.
Heißt das nun, dass man wirklich nur schön wird, wenn man gelitten hat? Nein. Es heißt, dass durch tiefe Wunden wunderschöne Dinge entstehen können. Doch das Schönste ist es, wenn es keinen Schmerz mehr braucht, um empathisch, inklusiv und kreativ zu sein. Das Schönste ist es, in einer Welt zu leben, in der einem mit der Empathie begegnet wird, die man selbst gibt. In einer Welt zu leben, in der man ein ebenbürtiger Teil derselben ist und die eigene Kreativität ohne Schmerz ausleben kann. In einer Welt zu leben, in der man wirklich schön sein kann – ohne Zuschreibungen, Einschränkungen und Bedingungen.