Burger, Coca Cola und Waffengewalt: Das beschreibt unsere Auffassung von Kultur in den USA wohl am besten. Und doch sind wir fasziniert von der vermeintlichen Freiheit, dem American Dream, den Präsidentschaftskandidaten und den glitzernden Kulturexporten. Der Künstler Clemens Ascher über seine Werke und die Kritik am Hyperkapitalismus.
In unseren Charts werden die Popsongs aus den Staaten rauf und runter gespielt, unsere Favoritenliste auf Netflix ist voll mit den heißesten Cheerleader-Footballer-RomComs und ohne Marsha P. Johnson und Stonewall wäre unsere LBGTQIA+ Szene wohl nicht da, wo sie heute ist. Der Tiroler Künstler Clemens Ascher beschäftigt sich auf sozialkritische Art mit den USA und deren Kultur. Woraus er seine Inspiration schöpft und wo er Verbesserungsmöglichkeiten für ein System sieht, das von weißen Kunstschaffenden dominiert wird, hat er uns im Interview beantwortet …
Clemens, deine Kunst beschäftigt sich viel mit der Kritik an einer Welt, die sich stark nach den USA anfühlt. Woher kommt dieser Fokus? Hast du eine persönliche Verbindung zu den Staaten?
Generell konstruiere ich in meinen Arbeiten eine frei erfundene Fantasiewelt, die auf die sogenannte westliche Welt beziehungsweise auf verschiedene gesellschaftliche Phänomene in selbiger Bezug nimmt und diese oft ironisch überhöht darstellt. Explizit mit den USA befasst sich meine Serie „Hitchhiking USA“ – damals wurde ich von Numero Berlin dazu eingeladen, eine freie Arbeit zu ihrer Amerika-Ausgabe beizusteuern.
Die globale Gesellschaft scheint recht US-amerikanisiert zu sein. Filme, Serien, Charts, das alles schwappt nach der Geburt in den USA zu uns nach Europa rüber. Wie erklärst du dir das?
Wie du richtig sagst, kommen viele neue Trends oder kulturelle Strömungen aus den USA. Das ist einerseits auf ihre technologische Vorreiterrolle, welche sie seit dem 2. Weltkrieg inne haben, andererseits auch auf genau die Tatsache, dass es in den USA viel Raum für neue kulturelle Ideen gibt, zurückzuführen. Wie bei allen gesellschaftlichen Phänomenen ist es schwierig und unseriös zu generalisieren, aber ich denke, dass wir in Europa auf verschiedene Trends und Neuerungen auch aus den USA reagieren, uns aber gleichzeitig unserer ererbten Kultur bewusst sind. Ich würde demnach von einer nationalstaatlichen Betrachtungsweise eher absehen und lieber über generelle, zeitgenössische Phänomene nachdenken.
Eine sehr naheliegende Interpretation deiner Kollagen ist die Kritik an einem hyperkapitalistischen System. Was ist der größte Kritikpunkt in deinen Arbeiten?
Ich denke mein Hauptkritikpunkt – allerdings nicht nur am Turbokapitalismus – ist die Tatsache, dass bei den Menschen Wünsche und Hoffnungen generiert werden, um sie zu kontrollieren und in ihrer Freiheit zu beschränken. Aber auch die Entfremdung von der Natur und von traditionellen Lebensweisen beschäftigt mich sehr.
Was sind deine Verbesserungsvorschläge für dieses System?
Ich glaube, man kann das System verbessern, indem man sich engagiert und hilft, dass für die richtigen Dinge und Entscheidungen lobbyiert wird und sich nicht immer die Interessen von Großkonzernen durchsetzen. Die Themen sind ja leider mannigfaltig.
Deine Werke schlagen eine spannende Brücke zwischen Fotografie, Illustration und Fotomontage.
Wie entstehen sie?
Mein Arbeitsprozess beginnt mit einer kleinen Zeichnung, die ich dann als Fotocollage aus vielen verschiedenen Elementen nachbaue. Dann fotografiere ich meine Darsteller im Studio, um diese wie Marionetten auf der vorher gebauten Bühne zu platzieren. Was mir an dieser Arbeitsweise am meisten gefällt ist, dass ich mich einerseits den visuellen Limitationen der klassischen Fotografie entziehen kann und andererseits alles, was mich interessiert oder mir am Herzen liegt in meine Bilder einbauen kann. Von Zitaten aus der Kunstgeschichte oder der Popkultur bis zu besagten gesellschaftlichen Phänomenen, kleinen Scherzen oder anderen Aspekten des kollektiven visuellen Gedächtnisses kann ich alles nach Belieben in jedes Bild packen.
Was inspiriert dich zu deiner Kunst? Ist es nur die Ablehnung oder schöpfst du auch Kreativität aus den schönen Dingen dieser Welt?
Mich inspiriert Kunst quer durch die Geschichte, von alchemistischen Zeichnungen bis zu Konzeptkunst oder abstrakter Malerei. Außerdem liebe ich es, stundenlang zu wandern, nachzudenken und zu fotografieren. Dabei habe ich meistens meine Ideen für neue Arbeiten beziehungsweise bin inspiriert zu fotografieren. Ich arbeite auch an einer ongoing Serie von analogen schwarz-weiß Fotografien, in denen ich in der Natur und in alltäglichen Strukturen Formen der Kunst suche.
Inwieweit siehst du dich als Teil des weißen, kunstschaffenden Systems, das zwar Kritik am kapitalistischen Patriarchat übt, aber trotzdem partizipiert?
Ich denke es ist wichtig, sich dieser Ambivalenzen bewusst zu sein und demnach selbst zu entscheiden, wo man partizipiert und wo man eventuell zu einer Verbesserung der Situation beitragen kann. Und sei es, wie in meinem Fall, dass ich mit meinen Arbeiten andere auf gewisse Phänomene hinweise und vielleicht auch zum Nachdenken anregen kann.
Alle Bilder: © Clemens Ascher