Die Auswahl an queeren Idolen ist noch immer relativ klein, weshalb es leichtfallen kann, sich mit fiktiven Charakteren zufriedenzugeben. Doch weil auch hier das Ausmaß zu wünschen übrig lässt, ist es umso enttäuschender, wenn diejenigen, die wir sehen, nicht authentisch wirken oder in alten Stereotypen festhängen.
Auch wenn wir von Streaming-Diensten wie etwa Netflix inzwischen realitätsgetreue Repräsentation erwarten können – beispielsweise „Special“, „Pose“ oder „Feel Good“ –, scheinen länger etablierte Studios in Hollywood bis heute Schwierigkeiten damit zu haben, queere Geschichten in den Vordergrund zu stellen oder sie ,richtig‘ zu erzählen. Denn selbst wenn queere Charaktere langsam einen Platz in sekundären und tertiären Rollen finden mögen, sind sie hinsichtlich ihrer Repräsentativität fragwürdig. Vor allem ein bestimmtes multimediales Konglomerat, das seit fast einem Jahrhundert für eine Maus mit runden Ohren bekannt ist, tut sich hier unrühmlich hervor.
The Award for Minimum Effort Goes To…
Disney wurde bereits mehrfach für die Art des Versuchs kritisiert, queere Charaktere in seine größeren Franchises einzubauen. Da wären etwa das lesbische Paar gegen Ende des letzten „Star Wars“-Films, das sich für den Bruchteil einer Sekunde küsst, das Cameo einer der Regisseure in „Avengers: Endgame“ als namenloser schwuler Charakter in einer Selbsthilfegruppe, oder die kontroverse ,schwule Szene‘ in der neuesten Verfilmung von „Die Schöne und das Biest“, die impliziert, dass zwei Männer möglicherweise miteinander tanzen. Für alle diese Filme existieren natürlich auch zensierte Versionen.
Selbst Filme, die sogar innerhalb der Community hoch gelobt werden, lassen noch Wünsche offen. Nicht-queere Schauspieler:innen werden weiterhin für queere Rollen gepriesen – wie in „Carol“, „The Danish Girl“, „Dallas Buyers Club“ –, die an queere Darsteller:innen hätten gehen können, und abgegriffene Stereotype finden sich, trotz Kritik, immer noch zuhauf. Was lässt sich also tun, um unsere Community glaubwürdiger darzustellen?
Queere Stimmen für queere Stories
Queere Menschen brauchen mehr Repräsentation vor wie hinter der Kamera. Am Beispiel von „Special“ oder „Feel Good“ auf Netflix sehen wir bereits, dass die queeren Identitäten der Autor:innen und Schauspieler:innen unweigerlich zu glaubhafteren Darstellungen führen. Hier stören auch Stereotype weniger, falls sie auftreten, da sie nur ein Teil eines komplexen Ganzen sind.
Sicherlich sind nicht-queere Personen ebenfalls dazu fähig, bewegende Geschichten über queere Erfahrungen zu erzählen. Sie sollten nicht kategorisch ausgeschlossen werden, denn die richtige Absicht ist spürbar vorhanden. Doch wenn diese Geschichten dazu dienen sollen, Vorbilder für ein queeres Publikum zu erschaffen, so ist es wesentlich effektiver, wenn hinter fiktiver Queerness tatsächlich queere Menschen stehen.
“Als queere Zuseher:innen fällt es uns leicht, zu erkennen, wann queere Charaktere nur der Inklusion wegen gezeigt werden und wann ihre Rollen etwas Wesentliches zur übergreifenden Handlung beisteuern.“
Signifikanz für queere Rollen
Als queere Zuseher:innen fällt es uns leicht, zu erkennen, wann queere Charaktere nur der Inklusion wegen gezeigt werden und wann ihre Rollen etwas Wesentliches zur übergreifenden Handlung beisteuern. Ich denke hier etwa an das Stereotyp des schwulen besten Freundes, der außer frechen Kommentaren und emotionalem Support keinen großen Beitrag zu einer Story leistet. Ob wir lediglich mehr von ihnen erfahren als von ihrer queeren Identität, oder ob ihnen sogar eine tragende Rolle für die gesamte Handlung zugeteilt wird – Signifikanz verleiht Charakteren mehr Dimension, verankert sie in unseren Gedanken und entwickelt sie über Stereotype hinaus.
Mehr Mut zur Intimität
Gleichgeschlechtlichen Paaren in Film und Fernsehen steht oft nicht das gleiche Level an Intimität zu, das wir bei andersgeschlechtlichen Paaren sehen. Erfrischende Ausnahmen hierzu bieten etwa „Special“, „Feel Good“ und auch „Pose“, die nicht nur mehrere Sex-Szenen, sondern auch expliziten Dialog über Sex zwischen queeren Partner:innen beinhalten.
Intimität lässt sich auch natürlich auch auf andere Weise darstellen und findet nicht in jeder Handlung Platz. Doch sie ist eine einfache Methode, das Publikum überhaupt darüber ins Bild zu setzen, dass ein Charakter queer ist – statt es ihn in einem Dialog erwähnen oder es durch stereotypisches Verhalten zeigen zu lassen.
Ende queer, alles queer
Grundsätzlich würde ich allen, die queere Charaktere in ihre Handlungen einbauen möchten, empfehlen, sich folgende Fragen zu stellen: Wie viel erfährt das Publikum über diesen Charakter, jenseits dessen queerer Identität? Hätte die Abwesenheit dieses Charakters einen Einfluss auf den Verlauf der Handlung? Ist dieser Charakter nur als queer erkennbar, weil er so verbalisiert wurde oder sich ,queer verhält‘?
Was aus diesen Fragen hoffentlich deutlich wird: Wir als queere Menschen wollen das gleiche Maß an Sichtbarkeit und Toleranz erhalten wie nicht-queere Menschen auch.