Auf die Frage, welche Stars und Denker:innen uns am meisten beeinflusst haben, finden wir leicht eine Antwort. Personen wie Billie Eilish, Greta Thunberg und Malala Yousafzai sind zweifellos Inspirationen unserer Zeit. Bei anderen Idolen wünschen wir uns manchmal jedoch, sie schon früher in unserem Leben gehabt zu haben. Wir haben mit sieben Personen des öffentlichen Lebens darüber gesprochen, wen sie in ihrer Kindheit vermisst haben, zu wem sie gerne aufgesehen hätten und warum eine Vielfalt an Role Models unverzichtbar ist.
Ramón Wagner, er/ihm, YouTuber und Künstler:innenmanager | @itgirlagenten
Beim Aufwachsen hatte ich kein Vorbild bzw. Idol und hätte mir im Nachhinein auch keines gewünscht. Mit meiner Sexualität hatte ich nie ein Problem und immer genug Selbstbewusstsein, zu dem zu stehen, was und wer ich bin. Das ist sicherlich außergewöhnlich – ich hatte wirklich viel Glück mit dem Umfeld, in dem ich aufgewachsen bin. Das geht leider nicht allen so, dessen bin ich mir bewusst. Ich hatte immer eine Vision von mir selbst, wie ich in der Zukunft sein möchte. Das hat mir gereicht.
Tessa Ganserer, sie/ihr, Abgeordnete im Bayerischen Landtag | @tessa_ganserer
Mir fehlte in meiner Kindheit und Jugend in der Fiktion wie Kinderbüchern oder Filmen die Darstellung von geschlechtlicher Vielfalt. Wie bei vielen anderen hat das auch bei mir dazu geführt, dass ich lange Zeit keine Worte dafür hatte, mein geschlechtliches Erleben und Empfinden zu beschreiben und zu erklären. Damals wäre aber auch niemand da gewesen, mit dem ich darüber hätte reden können. Als ich viele Jahre später endlich passende Begriffe gefunden hatte, fehlten mir Vorbilder von starken Frauen wie Anastasia Biefang oder Georgine Kellermann, die mir gezeigt hätten, dass ein geschlechtlicher Neuanfang auch im Erwachsenenalter problemlos möglich ist. Und die mir einfach vermittelt hätten: „Ich bin trans und das ist total gut so!“ Gleichzeitig macht das deutlich, dass es in Bezug auf sexuelle und geschlechtliche Diversität noch viel zu tun gibt – und wie wichtig Role Models sind.
Wiki Riot, sie/ihr, LGBTQIA+ Aktivistin und Rapperin | @wikiriot
Die queeren Superheld:innen, die ich in meiner Kindheit gebraucht hätte, wären Mitglieder einer Gesellschaft, in der ein anderes Verständnis von, für und mit Queerness herrscht. Eine, die offen für verschiedene Lebensrealitäten ist und sich nicht nur nach einer vermeintlichen Norm richtet.
David Jakobs, sie/ihr, Hair- und Make-Up Artistin | @davidthedaviddavid
Ich hätte mir beim Aufwachsen ein Idol fernab der gesellschaftlichen Norm gewünscht, sowohl was das Aussehen als auch die Denkweise angeht. Eine Person, die Themen anspricht, die sonst nicht angesprochen werden und gezielt Grenzen überschreitet, um zu zeigen, dass auch andere Lebensweisen richtig und berechtigt sind.
Hannah Müller-Hillebrand, sie/ihr, Yoga-Teacher und Künstlerin @namastehannah
Mir hat in der Kindheit kein Idol gefehlt – für mich war meine Mama Inspiration Nummer eins. Sie hat mich bei allem unterstützt, vor allem was die Themen Offenheit und Liebe angeht. Meine Mutter hat mich sehr frei erzogen. „Wenn du mal einen Freund oder eine Freundin hast, dann …“ So hat sie immer mit mir gesprochen. Sexualität war für mich ein ganz entspanntes und freies Thema, sodass es für mich auch gar kein Outing als bisexuelle Frau gab, sondern ich einfach genauso natürlich über Erfahrungen mit Frauen wie mit Männern mit ihr sprechen konnte. Das bedeutet mir extrem viel und das würde ich auch jedem Kind wünschen.
Strify, er/ihm, Sänger und Influencer | @strify
An sich habe ich keine Vorbilder vermisst, ich musste einfach etwas länger danach suchen. Ich konnte mich auch mit Personen identifizieren und mich von ihnen empowern lassen, die mich nicht eins zu eins widergespiegelt haben, wie beispielsweise starken Frauen und Diven. Sie haben unabhängig von dem, was die Gesellschaft erwartet hat, ihr Ding gemacht und sich von nichts unterkriegen lassen. Nichtsdestotrotz begrüße ich es, dass es heute immer mehr Vorbilder gibt, die mich persönlich auch mehr repräsentieren. So wird die Suche nach einem Role Model für viele junge Menschen zumindest etwas leichter.
Peter Plate, er/ihm, Sänger, Produzent und Komponist @peterplateofficial
Vorausschicken möchte ich, dass ich generell eher Schwierigkeiten mit dem Wort ‚Idol/Vorbild‘ habe. Ich nehme aber mal an, dass es um ein Role Model geht – und da hätte ich als Jugendlicher es natürlich klasse gefunden, andere LGBTQIA+ Menschen zu kennen. Das war damals einfach nicht sichtbar für mich und wurde weder in der Schule noch zu Hause thematisiert. Ich bin in Goslar aufgewachsen, einer Kleinstadt am Harz, und Anfang der 80er-Jahre war Homosexualität etc. ein absolutes Tabuthema. Insofern ist es so erfreulich, dass sich diesbezüglich doch einiges gewandelt hat. Wenn ich jedoch an Ungarn, Polen, Russland und weitere Länder denke, wo eben diese Role Models in Form von geschickter Gesetzgebung ausgehebelt werden sollen, wird mir angst und bange.