Thomas Brezina und Michael Buchinger sind Ikonen der österreichischen Medienlandschaft und sorgen seit Jahren für Unterhaltung und Begeisterung. In ihrem aktuellen Podcast „Drei wollen Durchblick“ versuchen sie gemeinsam, den Hörer:innen mit humorvollen Diskussionen einen solchen zu verschaffen. Wir haben uns mit Thomas und Michael getroffen und über ihre Idole, ihre Vorbilder und den persönlichen Werdegang gesprochen – und darüber, dass es nicht so schlimm ist, wenn dabei Zweifel aufkommen.
Danke, dass ihr euch die Zeit für dieses Gespräch genommen habt.
Eine Frage gleich vorweg: Was macht für euch ein Idol aus?
Michael: Ein Idol ist für mich ein Mensch, der authentisch lebt und von dem sich andere ein Scheibchen abschneiden können. Das war für mich immer jemand, wo ich mir dachte: „Schau dir diese Person an, die wirkt sehr glücklich und verstellt sich nicht. So möchte ich gerne sein.“ Für mich war es immer wichtig, ein paar Idole im Leben zu haben – auch als Inspiration, wenn es um wichtige Entscheidungen ging.
Thomas: Bei Idolen ist ein authentisches Leben etwas ganz Wichtiges. Für mich waren Idole immer Menschen, die etwas gemacht haben, das ich ebenfalls gerne tun wollte – und das erfolgreich. Mich interessierte weniger der Erfolg in der Größe als das, was das Werk bei mir auslöste. Die Mischung aus der Person, ihrem Leben und ihrem Schaffen ist für mich interessant.
Von den anfänglichen YouTube-Videos am Küchentresen unter dem Namen „gretlproductions“ bis hin zur heutigen Marke „Michael Buchinger“ – wie würdest du deinen Werdegang beschreiben?
Michael: Ich habe im Alter von fünfzehn Jahren mit YouTube-Videos angefangen und wollte das damals unbedingt. Wenn ich mir heute meine alten Videos anschaue, ist mir manches unangenehm, aber nichts peinlich. Ich habe selten etwas rausgenommen, schließlich gehören auch meine Jugendsünden zu mir. Besonders am Anfang ist mein Hobby nicht immer gut angekommen, denn während die anderen im Fußball- oder Musikverein waren, habe ich allein in meiner Küche YouTube-Videos gedreht. Das wurde von vielen belächelt, aber ich war ohnehin schon ein Außenseiter. Ich hatte meine engen Freunde, die das witzig fanden, und der Rest der Schule war mir egal. Heute bin ich froh, dass ich nicht auf die negativen Stimmen gehört habe.
Thomas, als Kinder- und Jugendbuchautor und als Gesicht von Fernsehsendungen wie „Tom Turbo“ bist du seit Jahrzehnten eine Ikone der deutschsprachigen Medienlandschaft. Was ist das Fundament einer erfolgreichen Karriere?
Thomas: Leidenschaft, Durchhaltevermögen und sehr vieles von dem, was Michi gerade gesagt hat. Ich war genauso ein Außenseiter – ich habe mich für Kindergeschichten interessiert, während andere Hermann Hesse gelesen haben. Ich habe als Puppenspieler gearbeitet, während andere im Kaffeehaus saßen. Ich habe das geliebt und immer weitergemacht, zu jeder Möglichkeit Ja gesagt und den nötigen Mut aufgebracht, sie zu ergreifen, auch wenn mir dabei die Knie schlotterten. Es gab Höhen, es gab Tiefen und es gab Momente, in denen ich aufhören wollte. Aber mit der Unterstützung der Menschen um mich herum habe ich durchgehalten. Unterm Strich wollte ich in jeder Hinsicht Geschichten erzählen. Diese Leidenschaft ist bis heute geblieben, und ich werde sie bis zu meinem letzten Atemzug beibehalten.
Welche Idole und Vorbilder haben bei eurer Entwicklung eine Rolle gespielt?
Michael: Ich habe mich als Jugendlicher sehr stark an Idolen orientiert und alle paar Monate eine andere Person verehrt. Diese Findungsphase hat mir zu dem Zeitpunkt richtig Spaß gemacht. Ellen DeGeneres war eines meiner frühesten Idole, denn sie ist eine der ersten LGBTQIA+ Personen, die im Fernsehen offen über ihre sexuelle Orientierung gesprochen haben. Ich ahnte damals bereits, dass ich homosexuell bin und habe die Sitcom Ellen gemeinsam mit meiner Mutter angesehen, wodurch ich ihre Reaktion auf Ellens Outing einschätzen konnte. Ich habe mich in meiner Jugend auch stark an Joan Rivers orientiert, aber am prägendsten war doch Ellen DeGeneres als Komikerin.
Thomas: Mich haben verschiedene Leute auf unterschiedlichste Art beeindruckt. Als Autor habe ich das meiste aus Biografien anderer Schriftsteller:innen gelernt. Zu sehen, durch welche Aufs und Abs andere gingen und wie sie diese Krisen gemeistert haben, ist für mich eine der wesentlichsten Funktionen von Vorbildern. Astrid Lindgren war für mich ein prägender Mensch, denn ihre tiefe Menschenliebe ist etwas, das ich durch sie noch einmal kennenlernte und bis dahin nur von zu Hause kannte. Als ich merkte, dass bei mir manches anders läuft, gab es noch wenige Vorbilder. Man hat wenig über glückliche schwule Beziehungen gehört, das ist heute zum Glück komplett anders. In späteren Phase waren vor allem Menschen um mich herum in ihren Beziehungen Leitbilder, egal ob homo- oder heterosexuell. Da ging es mir darum, wie sie lebten und wie sich das für mich anfühlte.
Durch eure Medienpräsenz habt ihr eine große Reichweite. Wie würdet ihr eure eigenen Rollen als Vorbilder für andere Menschen beschreiben?
Michael: Als ich jünger war, war ich mir meiner Reichweite nicht bewusst und habe einen eher lockeren Lebensstil verkörpert. Mit achtzehn ist man vielleicht noch nicht die reifste Person. Ich sehe mich nach wie vor nicht als Vorbild, sondern bemühe mich heute einfach, mich authentisch zu zeigen, so wie ich bin: Mein Leben als schwuler Mann mit einem Partner in einer Langzeitbeziehung.
Thomas: Ich weiß vor allem von Erwachsenen, was sie als Kinder aus meinen Geschichten geschöpft haben, weil sie das heute besser zum Ausdruck bringen können als in ihrer Kindheit. Ich war mir auf Social Media meiner Verantwortung immer bewusst. Meine Ratgeber zu Lebensfreude sind entstanden, weil ich einfach zu erzählen begonnen habe, was mir früher geholfen hat. Ich schreibe aus dem Gefühl heraus und will niemanden belehren. Ich kann nur anbieten, was ich weiß – und das tue ich. Ich erzähle von meinem Mann Ivo und mir, und zwar so, wie wir sind. Ich glaube, das wissen viele zu schätzen.
„Ich habe jetzt zwar kein brennendes Verlangen, in den Zirkus zu gehen, aber sag niemals nie.“
Ihr habt beide in sehr unterschiedlichen Bereichen gearbeitet.
Wo findet ihr Inspiration und den Mut, etwas Neues zu probieren?
Thomas: Die Frage ist: Will ich, oder will ich nicht? Ich schreibe momentan wieder an etwas komplett anderem und hatte anfangs Sorge, ob ich das schaffe. Allerdings habe ich meine Leute, denen ich in so einer Situation die ersten drei Kapitel schicke und auf deren ehrliche Reaktion ich sehr viel Wert lege. Wenn die Reaktion gut ist, dann mache ich weiter. Wenn sie nicht so gut ist, höre ich nicht gleich auf – sondern ändere vielleicht meinen Weg ein bisschen. Das Wichtigste, was ich im Leben gelernt habe, ist: Nie nach dem Erfolg spähen, sondern etwas tun, wenn man es tun will. Erfolg er-folgt.
Michael: In mir ist immer eine Unruhe, die mich dazu drängt, Neues auszuprobieren. Ich mache inzwischen viele Kabarettauftritte. Früher hatte ich Probleme damit, vor Menschen zu sprechen, aber dennoch wollte ich mich mal auf eine Bühne stellen. Eigentlich war es eine meiner größten Ängste, aber ich wollte es versuchen. Mittlerweile fällt es mir nicht mehr schwer und ich kann mir diese Auftritte gar nicht mehr aus meinem Leben wegdenken. Deswegen habe ich immer den Ansporn, etwas Neues zu wagen. Im Moment bin ich zufrieden. Ich habe jetzt zwar kein brennendes Verlangen, in den Zirkus zu gehen, aber sag niemals nie.
Wie geht ihr mit dem Zweifeln um?
Michael: Zweifel hatte ich immer wieder, auch heute noch. Mittlerweile weiß ich aber, wie ich damit umgehen kann: Ich spreche mit Leuten darüber. Ich habe einen Kreis von Menschen um mich, von denen ich weiß, dass sie mir die Wahrheit sagen – auch wenn sie vielleicht nicht angenehm ist. Ich kritisiere mich selbst am meisten und mache mir sehr viele Gedanken. Zweifel können auch dein Freund sein, solange sie dich nicht auffressen.
Thomas: Zweifel sind höchst unangenehm – aber nennen wir sie doch Selbstkorrektur, denn das ist im Endeffekt ihr Sinn. Die berühmtesten Künstler:innen waren bis zu ihrem Tod von Zweifeln geplagt. Das beste Beispiel ist für mich Leonardo da Vinci, der an seinem Totenbett sagte, er habe in seinem Leben nichts geleistet – als einer der bedeutendsten Wissenschaftler und Künstler überhaupt. Zweifel einzugestehen ist unangenehm, aber wichtig. Ab und zu steckt nämlich schon auch was dahinter, weil es etwas gibt, was man verbessern kann – und das ist dann der Nutzen.
In eurer Podcast-Folge #46 sprecht ihr über das Aufbrechen von Gender-Klischees.
Was sind eure Erfahrungen damit?
Michael: Ich habe das früher in meiner Jugend eher gemerkt, weil ich mich für Dinge interessiert habe, die nicht ,typisch Mann‘ waren. Besonders Erwachsene haben mich das oft spüren lassen, wenn mein Spielzeug oder mein Buch nicht für mein Geschlecht bestimmt war. Es hat nicht geholfen, dass ich damals lange Haare und keinen Bart getragen habe. Die Menschen haben immer gesagt: „Guten Tag, junges Fräulein, wie geht es Ihnen?“ Ich würde niemals jemanden mit „junge Frau“ ansprechen. Wieso müssen wir das Geschlecht so hervorheben? Ich fand das äußerst unangenehm und habe mich da auch gerne dagegen gewehrt.
Thomas: Die Dinge sollen selbstverständlich werden. Ich habe als Kind mit Puppen gespielt, Fußballspielen nicht gemocht und bis heute Angst vor fliegenden Bällen – und trotzdem ist aus mir etwas geworden. Die meisten Klischees sind zwanghaft und unnötig. Ich glaube, dass Selbstverständlichkeit in diesem Punkt das Wichtigste ist.
„Ich wollte dem Ganzen diese Sensation nehmen, und ich empfinde das seither als wirklich befreiend und erleichternd.“
Als Jahrgang 1992 und Jahrgang 1963 entstammt ihr zwei unterschiedlichen Generationen. Wie war es für euch, als schwule Männer aufzuwachsen?
Thomas: Für mich war das, was ich empfunden habe, in jungen Jahren völlig selbstverständlich. Mit vierzehn bin ich draufgekommen, dass andere nicht so empfinden, und als sie es gemerkt haben, wurde ich auch verspottet. Ich habe es eine ganze Weile verdrängt und erst nach der Matura begriffen, dazu stehen zu müssen, um glücklich zu sein. Mein Vater war sehr verständnisvoll, meine Mutter hat sich schwerer getan. Gleichzeitig haben sie sich aber mit mir und meinen Partnern gut verstanden. Ich habe mein Leben lang alle privaten Fragen abgelehnt, weil ich nie lügen wollte. Ich habe mich nie mit einer Alibi-Freundin gezeigt, sondern bin immer allein aufgetreten, denn damals konnte man mit so was noch erpresst werden. Ich glaube, heute ist das in Österreich den allermeisten Menschen gleichgültig. Bei einer Präsentation habe ich in meiner Euphorie vor über 700 Leuten gesagt: „Das ist der schönste Tag meines Lebens, nach meinem Hochzeitstag.“ Am nächsten Tag hatte ich ein großes Interview und ich wurde gefragt, ob ich geheiratet habe – und ich sagte: „Ja, ich habe geheiratet, und zwar meinen Mann, und wir sind glücklich. Punkt.“ Ich wollte dem Ganzen diese Sensation nehmen, und ich empfinde das seither als wirklich befreiend und erleichternd. Es ist zu einer Selbstverständlichkeit geworden.
Michael: In meiner Schulzeit war es ähnlich wie bei Thomas. Andere Leute merkten es vielleicht sogar vor mir und haben gespottet. In den frühen 2000ern haben sich dann gewisse Personen des öffentlichen Lebens allmählich geoutet, wodurch ich meinen Entschluss gefasst habe und mich mit fünfzehn gegenüber meiner Familie geoutet habe. Ich hab es versäumt, wie viele YouTuber:innen ein großes Video zu machen, in dem ich mein Outing offenbare. Ich habe es eher parodiert, weil es für mich kein großes Thema war. Diejenigen, die mich früher in der Schule deshalb gemobbt haben, hatten selbst irgendeine unverarbeitete Geschichte mit dem Thema Homosexualität. Bis zur Matura hat sich das glücklicherweise bei allen zum Positiven gewandelt. Ab etwa 2010 hat sich dann viel verändert und ich finde, es ist heute selbstverständlicher denn je.
Was würdet ihr eurem achtzehnjährigen Ich aus der heutigen Perspektive
mit auf den Weg geben wollen?
Michael: Bleib am Ball. Rückblickend war mein Außenseitertum meine Stärke. Ich würde mir mitgeben, dass ich ruhig eigenartig bleiben darf, denn genau das wird später wichtig sein. Außerdem würde ich mir raten, ruhig ein bisschen mehr auf die Kacke zu hauen und mir nicht so einen Stress zu machen.
Thomas: Ich würde sagen: „Es kommt besser, als du denkst.“ Punkt.