Urbane Sounds verbinden sich mit klarer Poesie: Auf dem Album „NACHT“ kleidet sich ELIF (@elifmusic) in neuem und recht düsterem Gewand. Zwölf Jahre nach Talent-Gesuche im TV, Identitätskrise und Burnout zeigt die 28-jährige Musikerin mit ihrem dritten Album, dass Erfolg auch die Frucht von harter Arbeit, Schmerz und Leidenschaft sein kann. Ganz nach dem Motto „Black Rainbow Realness“ trifft ELIF mit ihrer neuen Platte bei den Generationen Y bis Z buchstäblich ins Schwarze. Die 28-jährige Songschreiberin mit türkischen Wurzeln verrät uns im Interview, wie sie Schmerz verarbeitet und dabei frei von Normen und Grenzen lebt …
Dein Sound und deine Persönlichkeit haben sich über die letzten drei Alben stark gewandelt. Von unbeschwertem Pop zu tiefgehender, musikalischer und lyrischer Selbstreflexion. Was hat sich da bei dir verändert?
Dankbar zu sein. Dankbar dafür zu sein, dass es läuft, dass man Ideen und ein Team hat, das hinter einem steht und Fans, die meine Musik hören. Ich war früher viel zu hart zu mir selbst. Bedeutet jetzt nicht, dass ich meine Ziele kleiner stecke oder mein Anspruch gesunken ist – im Gegenteil: Ich habe sogar große Ziele. Der Unterschied heute liegt darin, dass es okay ist, wenn ich es nicht zu dem Zeitpunkt geschafft habe, den ich mir eigentlich vorgenommen hatte. Dann passiert es eben später. Hauptsache es passiert.
Dein neues Album “NACHT” wirkt authentisch, spürbar schmerzhaft und sehr persönlich. Während du früher schöne Metaphern gefunden hast, haust du jetzt die Fakten auf den Tisch. Was war das für ein Trip?
„NACHT“ war eine Reise zurück zu meinem Ursprung. Ich dachte, deutsche Pop-Musik muss immer sehr poetisch sein. Doch am Ende muss man die Dinge einfach genau so sagen, wie man sie fühlt. Nicht verschnörkelt, sondern direkt. So bin ich auch privat. Keine Ahnung, warum ich das erst jetzt für mich erkannt habe. „NACHT“ fühlt sich von meinen drei Platten, die ich gemacht habe, am meisten nach mir selbst an.
“In meinem Herzen
herrschte ein
riesengroßes Chaos.”
Vor allem das letzte Jahr war eine große mentale Herausforderung.
Was ziehst du persönlich aus 2020?
Dass Gesundheit die Basis für alles auf der Welt ist. Ich habe gelernt, noch sorgsamer mit meinen Liebsten und mir zu sein. Das letzte Jahr hat mir auch gezeigt, dass ich alles, was ich in meinem Kopf habe, erreiche. Ich bin nicht aufzuhalten!
Die Zusammenarbeit mit Katja Krasavice für den Song „Highway“ war ein riesengroßer Erfolg. Auf den ersten Blick eine Collabo wie Tag & Nacht.
Wie war das so mit Katja?
Katja und ich sind uns ähnlicher, als ihr denkt. Was uns mitunter verbindet ist der Schmerz, den wir durchlebt haben. Sie geht nur anders damit um als ich. Wir haben uns bei einem Interview-Format kennengelernt und hatten direkt einen besonderen Draht zueinander. Wir sind beide krass fokussiert und wissen genau, was wir wollen. Die Zusammenarbeit mit ihr war wirklich eine 10 von 10. Sie ist genauso fleißig wie ich. Das mag ich sehr an ihr.
Wie sehr versuchst du in deinem Leben Grenzen zu überwinden
und die eigene Bubble zu verlassen?
Eigentlich immer. Ich hasse es in der Komfortzone zu chillen. Eine kurze Zeit ist das gut, aber ich bin ein viel zu neugieriger Mensch dafür. Deshalb werde ich immer neue Sachen ausprobieren.
“Ich möchte frei leben,
ohne dass mich jemand verurteilt.”
Deine Texte lassen viel Spielraum für alle Farben des Regenbogens.
Bist du dir deiner wachsenden queeren Fanbase eigentlich bewusst?
Tun sie das? Vielleicht unbewusst. Ich glaube, da ich über Gefühle schreibe, ist es automatisch oft ohne Gender-Normen. Denn Gefühle sind universell und haben bzw. erreichen alle Menschen.
In deinem Leben gab es große Findungsprozesse. Welchen Stellenwert nehmen Themen wie Feminismus und sexuelle Selbstbestimmung für dich ein?
Ich möchte frei leben, ohne dass mich jemand verurteilt. Ich möchte ich selbst sein dürfen und wissen: Die Menschen, die ich liebe, lieben mich für das, was ich bin. Das wünsche ich jedem Einzelnen da draußen!
Vielen Dank Elif für deine ehrlichen Worte.