Mutti hat mich früher gewarnt, ich solle mir genau überlegen, wem ich welche Bilder von mir schicke. Na gut, es war vermutlich nicht Mutti, aber irgendjemand wird mich sicher irgendwann, irgendwo, irgendwie gewarnt haben. Und jetzt kann ich die Person für meine große Sexting-Misere verantwortlich machen, denn sie hat mich offensichtlich nicht eindringlich genug gewarnt, sonst würde mich eine Studie der Indiana University Bloomington nicht so endlos aus der Bahn werfen.
Für diese Studie wurden über 2800 Frauen und 2900 Männer im Alter zwischen 21 und 75 Jahre zu ihrem Sexting verhalten befragt.
Für alle, die es nicht wissen: Sexting bezeichnet das Verschicken erotischer oder pornografischer Inhalte (Wort, Bild, Ton, Video), über soziale Netzwerke oder Messenger. Also im Grunde das, was jeder zweite bei Grindr macht. Wobei Sexting sich vielleicht noch mehr auf „gewisse“ Personen konzentriert, und nicht ganz dem Grindr-Gießkannen-Prinzip folgt.
Ergebnis der Studie war übrigens, dass fast jede vierte Person, die Nacktbilder erhält, diese im Durchschnitt an etwa drei andere Personen weiterleitet. Männer deutlich häufiger als Frauen. Und fast 75 Prozent aller Befragten gab an, dass es ihnen unangenehm sei, wenn ihre Schmuddelbildchen an andere Personen weitergegeben werden. Schlimmer noch, sie fürchteten um ihren Ruf, ihren Job und ihre Beziehung, wenn das kompromittierende Bildmaterial in falsche Hände geriete.
Wenn ich das mal so grob überschlage, sehen etwa 6 Menschen pro Woche, was ich so mit mir rumtrage. Das sind in vier Wochen 24 Menschen. Bei 56 Wochen Im Jahr wären das 336 Menschen und weil man ja nie weiß, ob es wirklich nur drei Leute „mehr“ sind, pack ich noch 14 obendrauf – nach Adam Ries macht das dann 350 Menschen, die allein in den zurückliegenden Wochen Nacktbilder von mir gesehen haben. Wenn ich jetzt noch darüber nachdenke, seit wann ich so freizügig diese ganzen Pornosachen verschicken…hm!
Okay, dass mich die Studie aus der Bahn wirft, war gelogen. Die Befürchtung, dass meine Nacktfotos weitergereicht werden, hatte ich ja schon lange. Hinweise gibt es etwa, wenn man einen Bekannten eines ehemaligen/aktuellen Dates trifft: „Das ist übrigens Stephan!“ „Ohhh, der…“. Dieser wissende Ausruf kann natürlich auch was Anderes bedeuten, aber ist es dennoch irgendwie witzig sich vorzustellen: Wir kennen uns zwar nicht, aber er hat mich nackt gesehen – und ich ihn auch.
Wer sich davon allerdings tatsächlich bedroht fühlt, der sollte seinem Gegenüber verdeutlichen „Dit is wat Privates!“. Und wenn das nicht reicht, dann hilft am Ende der Gang zur Polizei.
Text: Stephan Otto